Gelsenkirchen. . Feierstunde mit gut 200 Gästen an der Georgstraße. Das zentrale Thema: Schulterschluss und der Kampf für Vielfalt und Toleranz.
Es ist kein Jubiläum im eigentlichen Sinne, das zehnjährige Bestehen der Neuen Synagoge in Gelsenkirchen. Und dennoch ist dieser kleine Geburtstag am 1. Februar bedeutsam: Als Zeichen dafür, dass Hass nicht gesiegt hat, dass Vielfalt und Toleranz über die Konfessionen hinweg eine Fortsetzung erfahren, und dass eine breite Front bereit steht, diese Grundwerte jetzt und auch in Zukunft zu verteidigen.
Gut 200 Gäste, darunter viele prominente Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur, waren zur Neuen Synagoge an der Georgstraße gekommen, um diesen Festtag zu begehen. In seinem Grußwort dankte der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, Judith Neuwald-Tasbach für ihr „vehementes Eintreten für eine offene Gesellschaft“. Er erinnerte aber ebenso wie Hanna Sperling, die Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Westfalen-Lippe, daran, dass jüdisches Leben nach wie vor Angriffen ausgesetzt ist – von rechts und von islamistischer Seite.
Als Beispiel nannte Schuster die Zerstörung einer Fensterscheibe der Synagoge in 2014 mit einem Gullydeckel. Zugleich hob er die „Solidarität“ hervor, die die Gemeinde danach erlebte – etwa durch Spenden des evangelischen Kirchenkreises oder durch den FC Schalke 04. Auch freute es den gelernten Internisten aus Würzburg, dass der Bombenbauer von Wehrhahn jetzt, selbst lange 17 Jahre nach seinem blutigen Anschlag in Düsseldorf, gefasst wurde und dass von der Justiz „nicht einfach der Aktendeckel zu gemacht worden ist“.
Sechs Opfer sind jüdische Zuwanderer aus der früheren Sowjetunion gewesen, vier Russlanddeutsche. Splitter töteten ein ungeborenes Baby. Josef Schulz mahnte: „Wer den Eindruck bekommt, Antisemitismus würde geduldet, der macht weiter.“
Hanna Sperling griff die Problematik auf: „Dass dieses Haus und die Menschen darin Polizeischutz brauchen, dass unsere Türen hier nicht offen stehen – das haben wir uns nicht ausgesucht.“ Dennoch gibt es „viel Grund zur Freude“. Zum einen gebe die Synagoge der Gemeinde Geborgenheit, zum anderen sorge der Dialog mit anderen für Verständnis, Toleranz und ein friedliches Miteinander.
Grundwerte verteidigen
Gelebte Gemeinschaft, das stellte Oberbürgermeister Frank Baranowski in den Mittelpunkt seiner Rede. Auch ihn erfüllen die jüngsten Entwicklungen in den USA oder hier in Deutschland mit Sorge. Umso eindringlicher daher sein Appell: „Wir müssen das Erreichte, die religiöse Vielfalt und Toleranz, verteidigen.“