Gelsenkirchen. . Ärzte- und Apothekensprecher sehen im medizinischen Einsatz der Hanfpflanze Potenzial. Es gibt aber auch Bedenken.
Schwer erkrankte Patienten sollen künftig Cannabis auf Rezept bekommen können. Das hat der Bundestag jetzt entschieden und ein entsprechendes Gesetz einstimmig verabschiedet. Patienten, die etwa an Krebs, Spastiken oder Multipler Sklerose leiden, müssen somit die Kosten für das Hanfgewächs, monatlich mehrere Hundert Euro, nicht mehr selbst tragen. Im März soll das Gesetz in Kraft treten.
Bei Gelsenkirchener Ärzten stößt die Neuerung nicht nur auf Zustimmung. Das Argument der Kritiker: Der medizinische Einsatz des Rauschgiftes sei nicht ausreichend erforscht.
Apothekersprecher stuft Pläne als sinnvoll ein
Welche Auswirkungen das Gesetz künftig für schwerkranke Gelsenkirchener hat, ist ohnehin noch unklar. Denn die genauen Regelungen zur Anwendung, Dosierung und Ausstellung der Rezepte sind den Apotheken- und Ärztesprechern noch nicht bekannt. „Bisher gibt es nur den politischen Beschluss“, sagt Apothekensprecher Rainer Grummel, zugleich Leiter der Sonnen-Apotheke. „Wir warten auf genauere Informationen. Wenn es soweit ist, werden wir diese höchstwahrscheinlich über die Bundesopiumstelle in Bonn erhalten.“ Klar sei allerdings, dass die Qualität des Arzneimittels Cannabis eine stets gleichwertige Qualität haben muss – genau wie bei anderen Arzneimitteln auch.
Grummel begrüßt „Cannabis auf Rezept“: „Bei Menschen mit starken Schmerzen ist es sinnvoll, Cannabis zu verschreiben – bevor vielleicht der illegale Weg eingeschlagen wird.“
Nebenwirkungen und Risiken sind gänzlich bekannt
Dagegen steht Dr. Arnold Greitemeier, Sprecher der Ärztekammer GE/Bottrop, dem medizinischen Einsatz von Hanf skeptisch gegenüber. „Zu Wirkstoffen von Cannabis gibt es bislang zu wenige Studien, die den Indikationsbereich definieren“, sagt der hier niedergelassene Arzt. „Kommt zum Beispiel ein Diabetes-Medikament auf den Markt, muss zuvor belegt werden, dass es nicht das Herz schädigt. Risiken und Nebenwirkungen von Cannabis sind aber noch zu wenig bekannt.“ Bisher sei man da auf Einzelfallbeobachtungen angewiesen. Bis ein Medikament seine Testphase durchlaufen hat und seine Zulassung erhält, so Arnold Greitemeier weiter, würden etwa sieben Jahre vergehen. „Zudem kann es sein, dass Cannabis beim Rauchen anders wirkt als in Tablettenform.“ Ihm fehle in der Hinsicht eine solide medizinische Verordnung.
Der Gelsenkirchener Ärztesprecher und Palliativmediziner Dr. Klaus Rembrink sieht das ähnlich, bezeichnet Cannabis potenziell eine „große Hilfe“. „Aber es wird sich erst in der Zukunft zeigen, wie wertvoll das als Medikament wirklich ist.“ Zudem weist er darauf hin, dass Cannabis-Präparate unter das Betäubungsmittelgesetz fallen und damit nicht etwa mit Blutdruck-Präparaten vergleichbar sind.
In Gelsenkirchen gibt es nach Angaben der Mediziner derzeit keine Patienten, die Cannabis legal aus medizinischen Gründen verordnet bekommen. In Bochum dagegen haben Ärzte bereits gute Erfahrungen damit bei der Behandlung sterbenskranker Menschen gemacht, sowie auch in der Krebs- und Schmerztherapie.
>> Was THC und Cannabidiol bewirken
Was die berauschende, bewusstseinsändernde Wirkung von Cannabis hervorruft, ist der Stoff Tetrahydrocannabinol (THC). Die Marihuana-Pflanze enthält neben THC aber auch eine entzündungshemmende und krampflösende Substanz, das Cannabidiol. Je nach Aufnahmeform wirkt Cannabis zeitverzögert oder stärker. Wird die Droge gegessen oder getrunken, kommt es langsamer zur Wirkung.