Essen. . Seit elf Tagen verhandelt die Essener Jugendstrafkammer über den Anschlag auf den Sikh-Tempel. Die Angeklagten bestreiten jede Mordabsicht.
- Essener Jugendstrafkammer verhandelt seit elf Tagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit
- Der verletzte Sikh-Priester erzählt dem Gericht von den Folgen des Anschlags auf ihn
- Richter nennt die Aussage eines Angeklagten „Blödsinn“ und bekommt Befangenheitsantrag
Nach seiner Aussage sitzt der 60 Jahre alte Priester der Essener Sikh-Gemeinde vor dem Saal, seine Krücken an der Seite. Noch immer trägt er schwer an den Folgen des Bombenanschlags auf den Tempel seiner Gemeinde im Nordviertel an der Bersonstraße. Physisch wie psychisch hat ihm das Attentat zugesetzt. Er hat den Prozess bislang als Nebenkläger verfolgt, will wissen, warum die drei jugendlichen Angeklagten ausgerechnet seine Gemeinde und ihn als Ziel ausgewählt haben. Aber was er an elf Tagen vor der V. Essener Jugendstrafkammer gehört hat, trug noch nicht zu seinem inneren Frieden bei. „Er hat mir gesagt, dass es ihn traurig stimmt“, sagt Jan Czopka, sein Anwalt.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagt das Gericht seit dem 7. Dezember, weil die Angeklagten alle Jugendliche sind. Yusuf T (17) aus Gelsenkirchen, Mohamad B. (16) aus Essen und Tolga I. (17) aus Schermbeck. Die ersten zehn Tage hatte das Gericht ihnen gewidmet. Sie durften über ihr Leben erzählen und was sie heute von islamistischen Anschlägen halten. Denn auf den IS hatten sie sich berufen, lässt sich WhatsApp-Protokollen entnehmen. „Ungläubige“ sollten sterben, war laut Anklage ihr Ziel.
Zwei Probesprengungen wirft Staatsanwältin Birgit Jürgens den Angeklagten vor – und schließlich die selbst konstruierte Bombe, die sie am 16. April vor dem Sikh-Tempel zündeten. Auf versuchten Mord lautet die Anklage.
Verteidiger Burkhard Benecken hatte vor dem Essener Prozess erzählt, dass sein Mandant Yusuf T. geläutert sei und gestehen werde. Ein Geständnis im Sinne der Anklage hat keiner der Angeklagten abgelegt. Mohamad B., der auf dem Foto vor dem U-Bahnhof zu sehen ist, sagte aus, er sei stehen geblieben, als er bemerkte, dass die Bombe gezündet werden sollte. Anwalt Victor Berger: „Er betont, dass er keine Tötungsabsicht hatte.“
Auch der Schermbecker Tolga I. sieht sich in einem Mordprozess fehl am Platz. Er sei ja gar nicht vor Ort gewesen. Yusuf T., der auf dem Video der Bombenlegung zu sehen ist, will auch keine Tötungsabsicht gehabt haben, wollte erschrecken.
Bei Gericht und Staatsanwaltschaft kommt das nicht gut an. Staatsanwältin Birgit Jürgens warnte schon mal Angeklagte: „Sie reden sich hier um Kopf und Kragen.“ Und Richter Volker Uhlenbrock, Vorsitzender der V. Kammer, hat sich einen Befangenheitsantrag eingehandelt, über den noch nicht entschieden ist. Rechtsanwältin Lena Plato stellte ihn für ihren Mandanten Yusuf T., weil der Richter einen Teil der Aussage knapp mit „Blödsinn“ kommentierte.