Gelsenkirchen. . In Gelsenkirchen hat sich 2016 viel getan, um Zuwanderer, Förderbedürftige und Kinder aus armen Familien mitzunehmen. Genug für gute Bildung?
Integration und die nachhaltige Förderung von Kindern und Jugendlichen mit schlechten bis mäßigen Startbedingungen waren auch 2016 die Hauptthemen der Bildungspolitik. Ganz unabhängig vom Wechsel in der Leitung des zuständigen Dezernates. Am 1. Oktober hatte Annette Berg von Dr. Manfred Beck den Stab übernommen. Zum Missfallen der Grünen, die mit David Fischer einen eigenen Gegenkandidaten aufgestellt hatten. Auch das Jugendreferat hat endlich einen neuen Leiter, nachdem eine erfolgreiche Bewerberin zurückgezogen hatte: der neue Leiter ist der bisherige „Kommissar“, Wolfgang Schreck.
Doch zurück zu den Problemen. Zwar stieg die Zahl der Zuwandererkinder ab Frühjahr nur noch geringfügig. Aber jene, die vorher ankamen, sind längst nicht integriert. Zu unterschiedlich sind die Voraussetzungen, mit denen sie nebeneinander in den Internationalen Förderklassen sitzen. Die einen haben in der Heimat ein Gymnasium besucht, die anderen noch nie eine Schulbank gedrückt. Letztere in Regelklassen zu überführen und ihnen dort erfolgreiches Lernen zu ermöglichen: Wie kann das gelingen?
Der Lehrermarkt ist völlig leergefegt
Einer, der es 2016 geschafft hat, ist Mohamad, der 16-jährige Syrer, der ohne Eltern nach Gelsenkirchen kam und nach wenigen Monaten hier in eine Regelklasse am Gymnasium wechseln konnte.
Um aber auch jenen ohne Schulerfahrung Bildung zu ermöglichen, braucht es viel Personal und geeignete Räume. An beidem fehlt es hier. Und das ist nicht nur eine Frage des Geldes. Der Lehrermarkt ist leergefegt, und auch Bauplaner für die dringend nötigen Zusatzräume sind Mangelware. Immerhin: Der Geldsegen aus Düsseldorf, 49,4 Millionen Euro für die „Gute Schule 2020“, kann helfen, die drängenden Probleme zu lindern.
Inklusionszentrum mit Unterstützung aus Münster
Lautstark klagten die Lehrerverbände wegen Überlastung, zu großen Klassen und zu wenig qualifizierter Unterstützung bei der Inklusion von Kindern mit Förderbedarf. Dabei wurde 2016 manches auf den Weg gebracht: Ein Inklusionszentrum mit Experten unterschiedlichster Profession und Herkunft, betrieben von der Stadt Gelsenkirchen und der Bezirksregierung, will ab Februar 2017 als Anlaufstelle für Eltern, Lehrer und Schüler Entlastung schaffen. Mehr Gesamtschulplätze und ein noch dichteres Präventionsnetz sollen ein Übriges tun.
Und jene, die schon lange oder schon immer hier sind und trotzdem einen schlechteren Start hatten als andere? Um die kümmert sich vor Ort das Talentzentrum. Das in Gelsenkirchen an der Westfälischen Hochschule gewachsene Projekt wurde 2016 landesweit ausgebaut. Die NRW-Zentrale sitzt symbolträchtig in Ückendorf. In der Ex-Gußstahl-Zentrale werden heute Talentscouts ausgebildet, die an Schulen nach verborgenen Talenten suchen. In Räumen, in denen Lernen Spaß machen kann.
Neustart bei der Prävention gegen extremistische Gefährdung nach dem Desaster mit Yussuf T.
Dass das Netz für gefährdete Jugendliche an mancher Stelle viel zu grobmaschig gewebt ist, zeigte sich 2016 bei dem Gelsenkirchener Yussuf T., der derzeit wegen des Bombenattentates auf einen Sikh-Tempel in Essen im April 2016 vor Gericht steht. Der heute 17-Jährige war schon 2014 in der Lessing-Realschule vom Schulleiter als salafistisch Gefährdeter gemeldet worden.
Im Januar 2016 hatte die Leitung seiner mittlerweile dritten Schule gemeldet, dass er auf dem Schulhof ein Explosionsvideo herumgezeigt hatte. Schulpsychologen, Staatsschutz, Erziehungsberatung, das Präventionsprojekt Wegweiser und der Kinder- und Jugendmedizinische Dienst waren eingebunden. Die Sicherheitsbehörden sollen von einer 2015 geplanten Reise in dschihadistische Krisengebiete gewusst haben. Verhindert hat dieses Wissen den Anschlag nicht.
Bewährtes Frühwarnsystem gegen Extremismus nutzen
Das Jugendamt wunderte sich über die „dünne Akte“ von Yussuf T. Die Informationen waren an dem Amt vorbeigeflossen. Künftig sollen alle Erkenntnisse zu extremistisch gefährdeten Jugendlichen hier zusammenlaufen. Das Warnsystem, das bisher nur für Kindeswohlgefährdung galt, wird nun auch dafür genutzt.