St. Martin lässt Kinder und Erwachsene im Revierpark darüber nachdenken, warum es immer wichtiger wird, einander etwas abzugeben

Eine alte Frau sitzt am Straßenrand. Sie ist dünn und zittert. Kniend streckt sie den Passanten ihre Hände entgegen. Um sie herum eilt jeder seines Weges. Doch plötzlich hält ein junger Mann inne - zwei Burger in der Hand. Abwechselnd schaut er auf sein Essen und auf die bettelnde Frau. Kurz entschlossen entwickelt er einen Burger und reicht ihn der Frau. Diese dankt ihm überschwänglich, doch der junge Mann ist längst in der Hektik des Alltags verschwunden.

Diese moderne Sankt Martins-Geschichte ist alltäglich und selten zugleich. Das Leben ist schnell geworden und in unserer Gesellschaft regieren die Ellbogen. Meist ist sich jeder selbst der Nächste und das Teilen fällt schwer. Umso wichtiger ist es, dass Kinder früh das Teilen lernen.

Das sieht auch Sylvia Graneis so: „Wir haben immer darauf geachtet, dass unsere beiden Söhne lernen zu teilen. Es ist wichtig, dass sie verstehen, dass nicht alles selbstverständlich ist.” Mit ihrem jüngeren Sohn Alexander (6) ist sie am Samstagabend in den Revierpark Nienhausen gekommen, um beim großen St. Martinsumzug dabei zu sein. Wer Sankt Martin war? Das weiß Wolke (5): „Sankt Martin war ein Soldat. Der hat seinen Mantel mit einem armen Mann geteilt, der sonst gestorben wär.” Für Wolke und für Alexander ist das Teilen normal. Alexander würde einem armen Kind jeder Zeit was von einem dicken Schokobrötchen abgeben. Warum? „Weiß ich selbst nicht, das macht man so”, sagt der Sechsjährige.

Auch die Veranstalter des Martinsumzug im Revierpark sind darum bemüht den Gedanken des Teilens zu vermitteln und aufrecht zu erhalten. „Teilen ist wichtig, weil es schön ist, wenn man weiß, dass es nicht um Verlierer und Gewinner geht, sondern beide etwas davon haben. Der Gedanke ist in unserer Gesellschaft leider verloren gegangen”, sagt Pfarrer Michael Grimm. Rund 2000 Menschen waren am Samastagabend gekommen um mit dem heiligen Martin durch den Park zu ziehen. Mit großen Augen verfolgten die Kinder den hoch zu Ross sitzenden St. Martin und leuchteten ihm mit ihren Laternen den Weg. Auch Giada (5) gehörte dazu. Sie hat ihre Laterne - natürlich in pink - selbst gebastelt. Und wen zeigt die Laterne? Klar, Sankt Martin auf seinem Pferd. Ein Lichtermeer zog dann hinter Sankt Martin und seinem Pferd durch die dunklen Bäume des Revierparks. Für Atmosphäre sorgten aber nicht nur die Lichter, sondern auch die Klänge der Kapelle der Heilsarmee.

Am Ende wurde noch die Szene gespielt, die Martin so berühmt gemacht hat: Die Mantelteilung. Beim anschließenden Feuer wurden dann auch rund 700 Bretzel verteilt und untereinander geteilt. „Mit solchen Aktionen und traditionellen Vorbildern wollen wir Kindern das Teilen nahe bringen”, sagt Grimm.