Gewinner besichtigen Werkshallen von Bridon in Schalke. Die Globalisierung hat auch den Seilhersteller erfasst. Englisch ist Sprache Nummer eins, der Geruch aber ist immer noch der von Schmiermitteln

WAZ ÖFFNET PFORTEN: IN DER SEILEREIWenn die Seilerei Bridon aus Schalke ein gutes Geschäft zum Abschluss bringt, ist Manfred Rupieper hautnah dabei. Die Schwertransporte, die dann vom Werk aus in den Stadthafen geführt werden, schieben sich an seiner Haustür vorbei. Man kann von einer engen Seilschaft zwischen Bridon und Rupieper sprechen. Umso mehr leuchteten dem 77-Jährigen ehemaligen Elektromeister Dienstag die Augen: Auch er war einer der Gewinner, der in der Seilerei an der Magdeburger Straße hinter die Kulissen blicken durfte - WAZ öffnet Pforten.

Ohne Signalweste und Schutzbrille geht in den Werkshallen nichts, denn: Seilproduktion heute hat mit dem Zusammenflechten von Hanfsträngen aus der Zeit bis ins 18. Jahrhundert nichts mehr zu tun.

Diese Seile sind alle aus Metall, geflochtene Hightech. Produziert, um schwimmende Ölförderanlagen in der Tiefsee gegen tosende Orkane zu sichern zum Beispiel. Oder um Bergbahngondeln sicher vom Tal zum Gipfel zu geleiten. Oder Stadiondächern Stabilität zu verleihen oder Brücken über den Rhein zu schlagen oder, oder, oder. Hauptsache herausfordernd. "Einfache Seile zu produzieren, das würde sich in Westeuropa bei dem Lohnniveau gar nicht lohnen. Wir fertigen nur Spezialprodukte für den Weltmarkt", erzählt Werksleiter Andreas Heinrich den Gewinnern.

Bridon ist international, nicht nur im Vertrieb, sondern auch als Betrieb: Der Blick richtet sich zum Mutterkonzern nach Großbritannien, seit Bridon 1995 die einstige Thyssen-Seilerei aufgekauft hat. Das Organigramm im Sozialraum ist in Englisch und Andreas Heinrich ist nicht nur Werksleiter, sondern auch Operations Manager.

Nur in den Hallen selbst merkt man davon nicht viel. Es riecht wie eh und je nach Schmiermitteln, die jedem der stählernen Seile beigegeben werden - ob nun 10 oder suppentellergroße 310 Millimeter Durchmesser. Die Beschriftungen sind in Deutsch.

Zeit, dass sich was dreht - das WM-Motto ist allgegenwärtig, obwohl Bridon mit Fußball höchstens über die Seile der Stadiondächer verknüpft ist: In den Hallen wenden sich gigantische Anlagen, wickeln schmale Drahtstränge von Spulen ab und verbinden sie zu den weltweit so begehrten Spezialseilen. Rasend schnell. Was geschehen ist, sieht man erst, wenn das fertige Seil auf die Rolle gezogen wird.

Julius Erbslöh hält mit seiner Kamera drauf. Der 60-jährige technische Redakteur hat ein Faible für Industriegeschichte "und davon hat dieses Werk eine Menge zu erzählen."

Maria Müller hingegen bleibt fasziniert vor einer Kiste stehen, in der Kunststoffreste gelagert werden. Sie sind bei der Ummantelung der Seile zum Schutz vor Durchrostung übrig gebblieben. Mit prüfendem Blick lässt die 71-jährige ehemalige Handwerksmeisterin das zusammengeschmolzene Polyethylen durch ihre Hände gleiten. "In der Berufsschule haben mir die Brennproben im Chemie-Unterricht auch am meisten Spaß gemacht", sagt sie.

Nach mehr als drei Stunden endet die Werksbesichtigung. Nicht nur die Gewinner sind beeindruckt. Auch Bridon-Prokurist Frank Gaeb ist erstaunt: "Was die so alles wussten, da konnte ich längst nicht alles beantworten. Ich bin erst seit drei Jahren hier, da habe ich schlechte Karten, wenn mir ein Gewinner erzählt, in welcher Halle der Großvater vor zig Jahren einen Kran gesteuert hat.""Was die so alles wussten."