"Brache sucht Zukunft" ist eine Foto- und Objektausstellung in der "flora" betitelt, die das Gelände von Zeche Graf Bismarck historisch thematisiert

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© Cornelia Fischer

Es waren ein paar geschichts-interessierte Männer, die sich neue Aufgaben stellten - aus dem Bewusstsein heraus, dass sie den Wandel in der Region am eigenen Leib erfahren haben, dass sie sich in der Pflicht gegenüber folgenden Generationen sahen, das aufzuschreiben, zu fotografieren, zu sammeln, zu dokumentieren, was nicht verloren gehen darf: die Geschichte. Die Gruppe nennt sich "Industriekinder". Ihr gehören die Fotografen Ullrich Tyrichter, Uwe Eschstruth und Julius Erbslöh an. Jetzt machen sie in der "flora" auf ein großes Thema aufmerksam: auf das monumentale Areal von Graf Bismarck. Titel: "Brache sucht Zukunft".

Wie meist bei Initiativen und Recherchen des Trios (zu dem auch noch der Filmer Roland Küpper oder andere Dokumentaristen stoßen), liegt ein interdiszplinäres Ergebnis vor. Da sind die rund 40 Fotografien, die das acht Quradratkilometer große Gelände in poetischen Facetten einfängt - Wasser, Wind, Blumen, Schutt, Halden, Häuser, Anglerszenen usw. Wortwörtlich Bruchstücke der Wirklichkeit, die einen wichtigen "Standort für Investoren" (so die städtische Werbebroschüre "Stadtquartier Bismarck") umfasst. Gelsenkirchen visionär: Die Situation der abgerissenen Zeche Graf Bismarck (1868 - 1966) erlaubt(e) viele Spekulationen. Von einer südländischen Marina am Rhein-Herne-Kanal, von einem "Architektur-Signal" des World Trade Centers, von einer "großartigen Siedlung", von Leuchttürmen und Stadtentwicklungs-Utopien.

Die "Industriekinder" stoßen auf ihre Weise die Diskussion über die Fläche (ein Drittel der gesamten Nutzungsareale Gelsenkirchens!) an. Sie halten sich an historische Funde und fotografische Entdeckungen. Kohlestücke, Keramik aus dem 17. Jahrhundert, geformte Steine von der GB-Ziegelei (Anfang 20. Jahrhundert), Asche, Schlacke, eine Wasserprobe vom 17. 7. 2007 - sämtlich archäologisches Material mit entsprechender Bildaufbereitung, die für die Industriekultur pädagogisch, kreativ, innovativ und fantasievoll aufbereitet wird. Tyrichter, Erbslöh und Esch-struth gehen sensibel mit den Objekten, mit den "Bildern im Kopf" und den "wahren" Momenten der Geschichtsbegegnung um - ein spannender Dialog wird ausgelöst.

"Es brodelt dort," sagt Ulrich Tyrichter, der die Graf-Bismarck-Aufbereitung initiierte. Hier sei alles am Ruhrgebiet, "wunderschön verdichtet", abzulesen. Vor allem: Wie sich die Natur einen ausgepowerten Raum beharrlich und rüstig zurück gewinnt, liest man aus den Bildern. Mitten in Gelsenkirchen eine Wasser-, Wald- und Wiesenoase? Wie wird damit zukünftig umgegangen - verantwortlich? HJL