In Ückendorf steht eine der ältesten Zechensiedlungen des Ruhrgebiets. Erst sollte sie abgerissen, dann privatisiert werden. Heute jedoch steht sie durch die Genossenschaft ganz kurz davor, ihr eigener Herr zu werden.

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© Cornelia Fischer

FLÖZ DICKEBANK: VON DER BÜRGERINITIATIVE ZUR GENOSSENSCHAFT Es ist nur ein unscheinbarer Zettel im Fenster des kleinen Bergarbeiterhauses, oben im zweiten Stock. Doch für die Bewohner der Ückendorfer Siedlung Flöz Dickebank bedeutet das kleine Schild mit dem Titel "Wohnungsgenossenschaft" die Erfüllung eines Traums, in den sie beinahe vier Jahrzehnte Zeit und Nerven investierten. Nun sind es nur noch wenige Wochen, vielleicht Monate, dann geht das Eigentum der Siedlung in ihre Hände über.

Die Siedlung Flöz Dickebank, ursprünglich als Kolonie Ottilienau bekannt, ist eine der ältesten Zechensiedlungen im Ruhrgebiet. 1872 bis 1910 wurden die ersten Häuser für die Bergarbeiterfamilien der Zechen Holland, Alma und Rheinelbe auf dem freien Ückendorfer Grund errichtet, 1952 und 1976 weiter baulich ergänzt. "Ein sozialgeschichtliches Dokument", attestierte das Westfälische Amt für Denkmalpflege Anfang des Jahres der gesamten Siedlung, "das durch den charakteristischen Grundriss und die Parzellenstruktur auch städtebaulich von Bedeutung ist."

Es gab Zeiten, in denen Ämter und Stadtplaner anders dachten. Bis Anfang der 70er Jahre ging das Leben beschaulich zu in der rund 10 Hektar großen Siedlung, dann stellte die Rheinisch-Westfälische Wohnstätten AG als Eigentümerin einen Antrag: Die Siedlung solle abgerissen werden. Anstelle der pittoresken Zechenhäuschen plante man, eine stark verdichtete vier- bis zwölfstöckige Hochhaussiedlung zu errichten.

"Die wollten hier klein New York hinsetzen", denkt Traudel Tomshöfer mit Entsetzen an das Vorhaben der Stadtplaner zurück. Die Angst vor dem Bagger rief die Bewohner auf den Plan, angesichts des drohenden Abrisses formierte sich der Widerstand, dem nach unermüdlichen Demonstrationen Gehör verschafft wurde: Die Bagger stoppten - die Bürgerinitiative Flöz Dickebank war geboren.

"Es ging nicht nur darum, die Steine zu retten", versucht Tomshöfer rückblickend zu erklären, dass an der Entscheidung vor allem menschliche Schicksale hingen, rund 1000 Anwohner in 320 Wohneinheiten, die in der Siedlung Flöz Dickebank verwurzelt waren. Doch die drohende Abbruchsanierung sollte nicht die einzige Hürde bleiben, die die Bürgerinitiative in all den Jahren zu überwinden hatte.

"Erst die Nachverdichtung, dann die geplante Privatisierung", lässt Tomshöfer die letzten Jahrzehnte stichwortartig Revue passieren.

"Die Leute, die über uns entschieden haben, wussten gar nicht, wie wir leben und wie dick oder dünn unser Portemonnaie ist", ärgert sich die Gelsenkirchenerin noch bis heute über damalige kurzsichtige Ideen der Chefetagen, die so weit weg schienen von den eigentlichen Bedürfnissen der Siedlung Flöz Dickebank.

"Nur fünf bis sieben Prozent der Leute wären damals in der Lage gewesen, ihre Wohnung zu kaufen." Deshalb ließ die Bürgerinitiative nicht locker und trumpfte auf mit Fachwissen und schlagkräftigen Argumenten, geschmiedet in vielen langen Stunden bis weit hinein in den Feierabend.

Schon damals träumte die Bürgerinitiative davon, irgendwann selbst Eigentümerin der Flöz Dickebank zu werden. Heute, 38 Jahre später, stehen sie tatsächlich kurz vor der wirtschaftlichen Übernahme der Siedlung von der Deutschen Annington.

Auch die Kommune steht mittlerweile hinter der 2006 gegründeten Wohnungsgenossenschaft und das Land Nordrhein-Westfalen stärkt ihnen ebenfalls den Rücken. "Das", kann Traudel Tomshöfer die überraschende Entwicklung nach all den Jahren erbittertem Kampf noch immer nicht ganz glauben, "sind die Früchte von 38 Jahren Bürgerinitiative. In der Vergangenheit war es manchmal fürchterlich, aber es hat sich gelohnt: Wir haben etwas bewegt."