Immer mehr Menschen in der Stadt verschulden sich. In 2007 stieg die Quote auf bis zu 24 Prozent.Und die Schuldner werden immer jünger. Weil derjenige, der sich nichts kaufen kann, immer weniger gilt

0013998391-0050295914.JPG
© WAZ

Immer mehr Menschen geben mehr Geld aus, als sie zur Verfügung haben. Und sie werden immer jünger Woran das liegt, darüber sprach Tina Bucek mit Norbert Donner, Leiter der Schuldnerberatung der Gafög.

Herr Donner, immer mehr Menschen in Gelsenkirchen verschulden sich. Was ist die Ursache?

Donner: Da kann man gar nicht von einer einzigen Ursache sprechen, das ist ein ganzes Bündel von Ursachen. Zunächst einmal sind die Realeinkommen gesunken, demgegenüber herrscht gerade in einer Stadt wie Gelsenkirchen immer noch eine hohe Arbeitslosigkeit. Das Geld wird weniger, aber die Märkte wachsen. Und die Verführungen.

Was kaufen die Menschen?

Donner: Das hat sich sehr verändert. Früher fand man unter den Gläubigern etwa den Otto-Versand oder Kreditinstitute. Heute sind es oft Online-Dienstleistungen. Partnerschaftsportale. Sogar sogenannte Schuldnerberatungen aus dem Intenet, die sich ihre vermeintliche Beratung einen Haufen Geld kosten lassen. Und natürlich die Telekommunikationsdienstleitungen. Handy, Internet. Die haben auch neue Bedürfnisse geschaffen, die befriedigt werden müssen und dann in die Schuldenfalle führen.

Immer mehr unter 20-Jährige verschulden sich. Woran liegt das?

Donner: Zunächst liegt das daran, dass Jugendliche untereinander im Wettbewerb stehen. Wer sich nichts leisten kann, gilt auch wenig. Nun sind die materiellen Verhältnisse von jungen Menschen aber sehr sehr unterschiedlich. Die einen haben viel, andere wenig. Und der Gruppenzwang führt dazu, dass letztere sich genötigt fühlen, mithalten zu müssen. Hinzu kommt, dass Firmen auch immer aggressiver auf Jugendliche zugehen. Man kann ja heute schon fast alles auf Pump kaufen. Den Urlaub, den man noch abbezahlt, wenn die Urlaubsbilder schon vergilbt sind, den Computer, das Handy, den Fernseher. . . Das verführt natürlich.

Wenn ein Schuldner zu Ihnen kommt. Was tun sie?

Donner: Zunächst versuchen wir eine Bestandsaufnahme. Oft ist es ja so, dass Post lange ungeöffnet geblieben ist, und die Leute gar keinen Überblick mehr haben. Dann versuchen wir natürlich, einen Weg zu finden, die Schulden regulär abzubauen. Wenn gar nichts mehr hilft, unterstützen wir auch bei der Privatinsolvenz.

Kommen denn viele Menschen unter 20 zu Ihnen?

Donner: Nein. Wir haben zurzeit 3 500 Klienten, die wir beraten. Der Altersdurchschnitt bei den Beratungen sinkt nicht proportional zu dem der Schuldner. Wann immer die Möglichkeit besteht, gehen wir deshalb in die Schulen.