Vor genau 50 Jahren wanderte Familie Gambuzza nach Deutschland ein. Eine Geschichte übers Verlassen und Ankommen. Eine Geschichte über Liebe und Familie. Eine Geschichte von Gastarbeitern im Ruhrgebiet

0014409160-0050486130.JPG
© WAZ

Es war der Vater, der sie hinterherzog: Salvatore, der Arbeit gefunden hatte auf der Zeche in Gelsenkirchen. Und da Mutter und die drei Töchter nicht ohne Mann im Haus bleiben wollten in Bella Italia, zogen sie ihm hinterher. Eine Geschichte vom Verlassen, und eine Geschichte vom Ankommen. Eine Gastarbeitergeschichte, die vor genau 50 Jahren begann.

Auf Wiedersehen - Arividerci Im Jahr 1958, als Mutter Alba entschied: "Wir gehen rüber zu Papa nach Gelsenkirchen in Deutschland!" Das kleine Städtchen Orsogna in Mittelitalien an der Adria ließ man hinter sich, ebenso Freunde, Nachbarn und die Sprache. "Es war gar nicht so schwierig", erinnert sich Franka. Sie ist eine von vier Töchtern, die damals zusammen mit der Mutter über die Grenze kamen, mit acht Jahren. "Wir waren ja noch so klein, wir haben ganz schnell Deutsch gelernt." In der Schule gab es Förderunterricht, und zuhause in der Hüller Straße dann noch Stunden in Italienisch. "Da haben meine Eltern immer wert drauf gelegt, dass wir unsere Muttersprache pflegen."

Die Mutter, sagt Franka, habe es damals allerdings nicht immer so leicht gehabt. "Es war ja nicht nur die Sprache - die ganze Kultur ist eben anders." Nicht so frei. Und manchmal nicht so unkompliziert. "Aber irgendwie hat man sich geholfen."

Nachbarn - Vicinati Die Nachbarin, die Mutter Gambuzza an die Hand nahm und ihr mal eben zeigte, wie man die Wäsche schrubbt. Oder die Mädels vom Haus nebenan, mit denen Franka kurzerhand eine Kellerdisco aufmachte. "Wir waren ja auch nicht die einzigen Italiener hier." Mit Familie Gambuzza waren damals hunderte Gastarbeiter mit Kind und Kegel ins Ruhrgebiet gekommen. "Da haben sich die italienischen Frauen und Männer auch untereinander getroffen, schon, um Sprache und Kultur zu pflegen", erzählt Franka. Bruder Paolo wurde geboren, die Kinder schlossen die Schule ab, Vater Salvatore schuftete auf der Zeche. Deutscher Alltag in italienischen Herzen.

Liebe - Amore Und deutsche Liebe. Für Franka kam sie mit Günter. Den lernte sie in besagter Kellerdisco kennen. Mit süßen 19 war das, und seitdem sind die beiden unzertrennlich. Ein deutsch-italienisches Duo, gelebte Integration. Zumal Günter inzwischen Italienisch spricht und am liebsten nach Italien umziehen würde. "Das ist ein anderes Leben dort", schwärmt er. Mutter und Vater Gambuzza wären auch fast gegangen, aber dann. . . "Papa wollte immer zurück, nach seinem Ruhestand. . ." Zumal eine der vier Schwestern inzwischen einen Italiener geheiratet hat und in die Heimat zurückgezogen ist. "Aber dann hat sich die Mama durchgesetzt. Sie wollte doch lieber in unserer Nähe bleiben", sagt Franka.

Familie - Familia Die Tradition, in zwei Nationen Zuhause zu sein, hat sich bei den Gambuzzas übrigens vererbt. Frankas Schwester hat einen Spanier geheiratet, Franka selbst ihren deutschen Günter. Und auch, wenn es manchmal gar nicht so leicht ist, die ganze Bande an einen Tisch zubekommen. "Hier in Gelsenkirchen treffen wir doch immer wieder zusammen."

Heimat - Natione Heute zum Beispiel. Heute feiern Vater und Mutter Gambuzza nämlich ihre Diamantene Hochzeit. Mit der ganzen bunten Familie. "Wir gehen schön zusammen essen und plaudern über alte Zeiten", freut sich Franka. Auf Deutsch oder Italienisch? "Das wird wohl ein Gemisch werden." Herzlichen Glückwunsch - Auguri al vostro 60 matrimonio!