Wenn Sie denken, Gelsenkirchen sei ein ruhiges Pflaster, dann haben Sie die aktuellen Gelsenkirchen-Krimis noch nicht in der Hand gehabt. Wir stellen zwei von Ihnen - und ihre Tatorte vor.

Ein arbeitsloser Fotograf wird leblos aus dem Rhein-Herne-Kanal gefischt, eine verkohlte Frauenleiche wird am Mechtenberg gefunden und ein vermisster Imam taucht tot im Teich des Bulmker Parks auf: Die Mordkommission im Polizeipräsidium in Buer hat plötzlich alle Hände voll zu tun, um einem Serienmörder auf die Spur zu kommen. Und dann tauchen auch noch seltsame Zeichen an den Tatorten auf. . .

Nein, langweilig wird es auf den 300 Seiten des Gelsenkirchen-Krimi „Phobos” nie. Nachwuchsautor Alexander Pentek (22) bringt in seinem Erstlingswerk acht Leute zur Strecke. Sechs davon werden auf brutalste Weise ermordet, die anderen sterben bei dem Versuch, den Serienmörder zu fassen.

Die Jagd nach dem Killer führt die junge Polizeibeamtin Jennifer Hartmann und ihre Kollegen vom Morddezernat kreuz und quer durch die Stadt. So geraten der Stadthafen, die Kurt-Schumacher-Straße, der Penner-Treff am Pestalozzihain, der Teich im Bulmker Park und die Mechtenberghalde ins Fadenkreuz der Ermittler. Die junge Heldin Jennifer hat dabei auch privat ihr Päckchen an Sorgen zu tragen – und gerät im Laufe der Ermittlungen selbst ins Visier des Killers. . .

Viel mehr wollen wir an dieser Stelle jedoch nicht über die Handlung verraten, nur so viel: Alexander Pentek schildert die mörderische Geschichte mit einer sehr phantasievollen, bildhaften Sprache, die Tatorte, Opfer und auch den Täter selbst vor dem inneren Auge des Lesers erscheinen lässt. Religiöser Fanatismus rückt in diesem Buch ebenso in den Blickpunkt wie die Kosmikophobie, an der die junge Ermittlerin leidet. An diesen Punkten merkt man, dass Alexander Pentek in seiner Freizeit Sachbücher aller Art verschlingt – und sich manchmal auch davon inspirieren lässt.

„Eigentlich wollte ich nur einmal ausprobieren, ob ich auch einen Krimi schreiben kann, denn ich selbst lese so etwas eher selten”, erzählt er im WAZ-Gespräch. Sein Erstlingswerk entstand in den Abendstunden nach der Arbeit – mühsam getippt mit dem Ein-Finger-System am Computer. „Ich hatte mir vorab eigentlich nur wenige Punkte ausgedacht, die Geschichte hat sich erst im Laufe des Romans entwickelt. So haben dann auch die Figuren immer schärfere Konturen angenommen”, erzählt der junge Gelsenkirchener. Und weil ihm das Schreiben so gut gefallen hat, liegt auch schon eine fertige Fortsetzung in der Schublade. „Ob die jemals gedruckt wird, hängt aber auch davon ab, wie gut sich der erste Teil verkauft”, sagt Alexander Pentek und bleibt dabei – trotz aller Vorschusslorbeeren – realistisch.

„Für dieses erste Buch habe ich sehr viele Verlage angeschrieben und auch zahlreiche Absagen bekommen. Sogar von ganz kleinen Krimiverlagen. Eigentlich hatte ich den Traum von der Veröffentlichung schon aufgegeben, als es dann ganz plötzlich doch geklappt hat”, erklärt er.

„Die bisherigen Rückmeldungen von Leuten, die den Krimi gelesen haben, waren eigentlich durchweg positiv”, sagt er stolz. Und erzählt, dass es doch ein schönes Gefühl ist, das eigene Werk auf einem Stapel im Buchhandel zu sehen.

„Phobos – Ein Gelsenkirchenkrimi” ist im Wartberg-Verlag erschienen und kostet 11,90 Euro. ISBN: 978-3-8313-2052-3.

Auf der Suche nach dem Tatort

»Die Deutschlehrerin in der Munckelstraße, ja, das war ich. Ironischerweise habe ich sie keine hundert Meter vom Gerichtsgebäude entfernt umgebracht. [...] Aber die Schwachköpfe haben ihren Mann verhaftet. . .«

Schon nach ein paar Zeilen läuft einem bei der Lektüre von Klaus-Peter Wolfs Kurzgeschichte „Der Nylonstrumpfmörder” ein kalter Schauer über den Rücken. Hier ist man selbst im Kopf des Killers, spinnt seine kranken Gedanken weiter und kann doch nichts dagegen tun, dass sich der Serienmörder ein weiteres Opfer sucht.

Zwar muss sich Wolfs Nylonstrumpfmörder den Platz in der 411-Seitigen Anthologie „Mord-Westfalen II” mit 31 anderen Kurzgeschichten teilen, aber das schmälert das Erlebnis nicht: Der Autor hält die Flagge für Gelsenkirchen hoch – und lässt die Südstadt in einem besonders mörderischen Licht erscheinen. Sein skrupelloser Täter sucht sich seine Opfer mit Bedacht aus, um sie dann auf grausame Weise mit einer Nylonstrumpfhose zu erdrosseln. Dabei wohnt er selbst in geordneten Verhältnissen mit wunderbarem Blick auf den „Bildungsbunker, das Musiktheater und die Innenstadt”.

Was ihn antreibt, und wie er tickt, das verrät Klaus-Peter Wolf geschickt zwischen den Zeilen. So ist der Leser auch live bei der Tatortsuche dabei: Zur Auswahl stehen die Buchhandlung Junius, ein Schaufenster des Kaufhofs und das eines „schnuckeligen Stehcafes”, für das sich der Mörder einen Zweitschlüssel besorgt hat.

Ein zwielichter Plan, gewürzt mit ganz viel Lokalkolorit – das ist das Geheimrezept des 55-Jährigen Autors, der die Leser in seiner Wahlheimat Ostfriesland ebenfalls mit lokalen Krimis begeisterte. Seine literarischen Wurzeln sind allerdings in Gelsenkirchen zu finden, betont Klaus-Peter Wolf: „Vor allem die literarische Werkstatt hat mich geprägt.” Genau wie sein imaginärer Strumpfhosenkiller hat der Autor übrigens das Grillo-Gymnasium besucht und den gleichen Kunstlehrer gehabt. „Ich binde oft Personen, die mir im Laufe des Lebens begegnet sind, mit in meine Geschichten ein. Aber natürlich verändere ich dabei ihre Namen. Trotzdem kommt es oft vor, dass sich frühere Klassenkameraden oder Weggefährten wiedererkennen”, gibt er zu.

Bereits im zarten Alter von 14 Jahren hielt Wolf am Grillo seine erste Lesung mit eigenen Werken – und leckte Blut. „Ich bin dann beim Schreiben geblieben. Ab und zu kehre ich auch nach Gelsenkirchen zurück, um mich inspirieren zu lassen”, sagt er – und erzählt schmunzelnd: „Für den Tatort Abgezockt mit Lena Odenthal habe ich sämtlichen Personen Namen von Gelsenkirchener Stadtteilen gegeben. Die hießen dann Hüllen, Horst und Bismarck. Das war quasi meine Verbeugung vor der alten Heimat. . .” boom

„Mord-Westfalen II – Kriminelle Geschichten aus Westfalen” ist erschienen im Pendragon-Verlag, kostet 12,90 Euro und hat die ISBN 978-3-86532-139-8.

Die Autoren:

Alexander Pentek, Jahrgang 1987, legt mit „Phobos – Ein Gelsenkirchenkrimi” sein erstes Buch vor. 2006 machte der Gelsenkirchener am Schalker Gymnasium sein Abitur, gerade hat er eine Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten absolviert und möchte nun eventuell Jura studieren. Kein Wunder also, dass das Erstlingswerk des Nachwuchsautors sich einem kriminalistischen Thema widmet. Dass sein Vater selbst bei der Polizei in Gelsenkirchen gearbeitet hat, spielte dabei nach Angaben des 22-Jährigen „überhaupt keine Rolle”. Für den Krimi hat Alexander Pentek sich seine Tatorte in Gelsenkirchen vorher ganz genau angesehen.

Klaus-Peter Wolf (55) ist, was Krimis angeht, inzwischen schon ein alter Hase. „Ich habe im Alter von 55 Jahren bereits 54 Menschen umgebracht”, erzählt der gebürtige Gelsenkirchener, den es 27-jährig in die Ferne zog, lachend. Inzwischen wohnt er in Ostfriesland, wo auch eine berühmte Krimi-Reihe von ihm spielt: „Ann Kathrin Klaasen, die in meiner Ostfriesen-Reihe die Hauptkommissarin spielt, wurde aber in Gelsenkirchen geboren, ein Teil der Geschichten spielt auch dort”, sagt Wolf. Seine Bücher wurden mehr als 8 Mio. Mal verkauft und in 24 Sprachen übersetzt. Einen Namen hat sich Klaus-Peter Wolf jedoch auch als Drehbuchautor für den „Tatort” gemacht.