Wenn Moritz (11) heute mit seinem Vater die Kerzen anzündet, ist seine Mutter nicht dabei. Tobias (9) feiert ohne Vater. Wie fühlt sich Traurigkeit an?Sehnsucht? Der Verlust eines geliebten Menschen? Manchmal schrecklich, sagt Tobias. ...
... "Aber manchmal kann ich es auch vergessen" WEIHNACHTEN DER STARKEN KINDER Moritz (11) und Tobias (9) sind Halbwaisen. Heute feiern sie zum zweiten Mal Weihnachten ohne die Mutter bzw. den Vater. In der Kindergruppe von Mechthild Schroeter-Rupieper lernen sie, zusammen mit anderen Kindern von ihrer Trauer zu erzählen. Auszüge eines Gespräches, aufgeschrieben von Tina Bucek.
An die Mama denken "Ich denke oft an die Mama, und manchmal erzähle ich ihr auch etwas. Dinge, die ich meinen Freunden nicht erzählen würde, Dinge vom Sport, auch etwas aus der Schule. Ich mache das, weil ich mich nachher meistens besser fühle. Aber zum Friedhof muss ich dafür nicht gehen. Ich gehe eigentlich gar nicht gerne zum Friedhof, auch nicht in die Kirche. Das sind keine Orte, an die ich mich gerne erinnere."
(Moritz) An den Papa denken "Ich habe gesehn, wie der Papa aufgestanden und getaumelt ist. Und ich stelle mir vor, wie Papa mich früher auf den Armen getragen hat. Ich denke daran, wenn ich abends im Bett liege. Auch sonst sehr oft, und dann rede ich manchmal mit ihm. Aber manchmal kann ich ihn auch vergessen. In der Schule kommt das schon mal vor." (Tobias) Die Sache mit dem Weinen "Ich habe schon seit drei Wochen nicht mehr geweint. Jungen weinen ja sowieso viel weniger als Mädchen. Das hängt mit den Muskeln im Zwerchfell zusammen. Jungen haben da ausgeprägtere Muskeln, die sind einfach stärker. Und wenn sie merken, dass sie weinen müssen, dann können sie ihre Muskeln im Bauch anspannen, und dann geht es weg." (Moritz) "Ich weine eigentlich nicht. Und wenn ich doch weinen muss, dann höchstens abends im Bett. Aber die Mama weint manchmal. Wenn ich das merke, versuche ich, sie zu trösten." (Tobias) Wenn die Traurigkeit kommt "Wenn die Traurigkeit kommt, merke ich sie meistens zuerst im Bauch. Manchmal werde ich dann ganz sauer. Und manchmal weiß ich nicht, was ich machen soll." (Moritz) "Wenn die Traurigkeit kommt, werde ich wütend. So richtig wütend, so dass ich irgendwo draufhauen könnte. Ich merke sie zuerst in den Händen. Manchmal gehe ich dann alleine rum." (Tobias) Was Gott macht "Von Gott bin ich eigentlich nicht begeistert. Am Anfang, als die Mama gestorben ist, da war ich richtig sauer auf ihn. Warum hat er bestimmt, dass meine Mutter sterben muss? Mittlerweile ist es besser. Aber so richtig mein Fall ist er immer noch nicht, nicht mein Favorit. Ich muss auch nicht unbedingt in die Kirche gehen. Das bedeutet mir nicht viel. Am Grab ist das nicht gerade das beste Gefühl." (Moritz) Wie Weihnachten wird "Ich freue mich eigentlich nicht so richtig auf Weihnachten. Vielleicht etwas. Meine Lieblingsoma und -opa kommen nicht, und Mama ist auch nicht da. Es ist komisch."
(Moritz) "Ich freue mich auf Weihnachten. Da schneiden wir vom Tannenbaum einen Zweig für Papa ab. " (Tobias) Warum Freunde gut sind "Meinem Freund Matthias kann ich alles sagen. Bei ihm habe ich auch keine Angst, etwas zu erzählen. Und dem Hund von Opa und Oma. Wuschel. Dem kann ich auch alles erzählen. Der bleibt ganz ruhig und hört zu. Es ist nicht schlimm, dass er nicht antworten kann. Das ist die höchste Seligkeit für mich." (Moritz) "Es ist lustig, wenn wir in der Kindergruppe zusammen sind. Letztes Mal haben wir Raketen und Kracher gebastelt. Auf die Raketen haben wir gute Erinnerungen und Gedanken geschrieben und sie dann in den Himmel geschossen. Und auf die Kracher haben wir alles geschrieben, was wir doof finden. Und dann haben wir sie knallen lassen. Das war ein gutes Gefühl. (Tobias)