Schüler lernen Zivilcourage: In Bus und Bahn halten sie die Augen offen und schreiten dann ein, wenn Mitschüler Regeln verletzen. Die Idee der Gesamtschule Berger Feld wird heute Land auf, Land ab kopiert

„Kannst du bitte die Schuhe vom Sitz nehmen?” Vlora Buzhala ist höflich, hat aber noch keinen Erfolg. „Du hast doch selber eine weiße Hose an”, versucht sie es weiter, „und die wäre jetzt dreckig, wenn jemand anders seine schmutzigen Schuhe auf die Sitze gelegt hätte.” Und siehe da: Der Schüler hat ein Einsehen, stellt die Füße dorthin, wo sie hingehören: auf den Boden des Busses. „Danke”, sagt die 20-jährige Fahrzeugbegleiterin der Gesamtschule Berger Feld zu dem Jungen, und wendet sich ab – erfolgreich.

Bernd Schiwy, Polizeibeamter vom Kommissariat Vorbeugung, ist zufrieden. Höflich sollen die Fahrzeugbegleiter sein, genau so wie in dieser Übung, sie sollen die Augen offen halten, einschreiten, wenn etwas aus Ruder läuft, sollen erklären, was in Bus und Bahn geht und was nicht.

Seit zehn Jahren werden an der Gesamtschule Berger Feld Fahrzeugbegleiter ausgebildet, eine Erfolgsgeschichte sei das, freute sich gestern zum Geburtstag des Projekts Schulleiter Georg Altenkamp, die sprichwörtlich Schule macht: Was im Berger Feld initiiert wurde, hat viele Nachahmer gefunden in Deutschland, aber auch im Ausland. Die Idee: Polizei, Verkehrsbetrieb und Schule bilden Jugendliche zu so genannten Fahrzeugbegleitern aus, die in Bus und Bahn einschreiten, wenn Mitschüler Regeln missachten.

Vorausgegangen war ein „Klima der Verängstigung und Verunsicherung” in den öffentlichen Verkehrsmitteln, sprach Polizeipräsident Rüdiger von Schoenfeldt gestern zur Feierstunde in der Schule Klartext. Kinder wurden überdurchschnittlich häufig auf dem Weg zur Schule oder nach Hause von Mitschülern beleidigt oder verletzt, andere beschädigten oder beschmierten Sitze. Kurz: Die Schule „war in einer schwierigen Situation”, so der Polizeipräsident.

Und sie handelte, bildet seit dem Schuljahr 1997/98 im siebten Jahrgang alljährlich einen Schüler und eine Schülerin pro Klasse als Fahrzeugbegleiter aus, im Boot sind Bogestra und Polizei. Über zehn Stunden werden dabei Kommunikationstechniken eingeübt, Rollenspiele über die Bühne gebracht und Deeskalationstrainings durchgeführt. Ergebnis: Die Schüler, die in Schulbussen oder öffentlichen Verkehrsmitteln die Augen offenhalten, seien wirkungsvoll, lobten die Beteiligten, es gehe heute in Bus und Bahn deutlich friedlicher zu als vor dem Startschuss des Projekts.

Und die Zahlen: Um 40 Prozent gingen die Beschädigungen zurück, dadurch spart die Bogestra jährlich Beträge in fünfstelliger Höhe.