Dönekes vom Rohrstock bis zum Reibekuchen. 75 Jahre nach der Einschulung an der Alten Schule an der Ückendorfer Straße schwelgen die ehemaligen Pennäler in Erinnerungen

Verschmitzt lächeln können die Lausbuben von damals auch noch 75 Jahre nach dem ersten Schultag. Montage: WAZ, Martin Möller
Verschmitzt lächeln können die Lausbuben von damals auch noch 75 Jahre nach dem ersten Schultag. Montage: WAZ, Martin Möller © WAZ

"Repetitio est mater studiorum." Kaum hat Karlheinz Döring diese lateinische Formel in die Runde geworfen, steigt die ganze Herrenrunde ein: "Die Wiederholung ist die Mutter der Weisheit." Auch 75 Jahre nach ihrer Einschulung können die Gelsenkirchener "Jung'" den Wahlspruch ihres Lehrers noch aus dem Effeff herunterbeten.

"Wir fühlen uns immer wieder jung, wenn wir hier zusammen sind", lachen die Rentner. Heute auf den Tag genau ist es ein Dreivierteljahrhundert her, dass sie als I-Dötzchen zum ersten Mal auf dem Hof der Alten Schule an der Ückendorfer Straße standen. 1933, im Jahr der Nazi-Machtergreifung. Und sie hatten ihr ganzes Leben vor sich. Doch die Kindheit im Krieg hinterließ Spuren, die Erinnerungen sind bis heute Thema. "Mehrere sind vermisst, viele gefallen, einige erst kürzlich verstorben", erinnert sich Kurt Wilms beim Blick auf das alte Klassenfoto. Rund 45 waren sie bei der Einschulung, beim Treffen im Restaurant International sitzen nur noch 13 ehemalige Pennäler mit ihren Frauen und auch einige Witwen im besten Zwirn um den Jubiläumstisch.

Dass die ganz selbstverständlich dabei sind, ist zur Tradition geworden. Seit 30 Jahren kommt die Volksschulklasse von damals Jahr für Jahr zusammen, einmal vor Weihnachten und einmal zum gemeinsamen Ausflug in den Sommermonaten. Sie waren in Prag, in Wien.

Lebenslange Freundschaften, die für sie gerade im Alter immer wichtiger werden. "Wir kennen uns gut, nehmen auch Anteil an persönlichen Dingen", erzählt Döring. "Wer eben krauchen kann, kommt zu unseren Klassentreffen", nimmt Wilms den Lauf des Lebens mit Humor.

Und gemeinsam lachen, das können die Lausbuben von damals immer noch am besten. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit kommen die Dönekes von früher wieder auf den Tisch: die erste Begegnung mit dem Rohrstock auf der Samtunterbuxe und den Reibepfannekuchen des Lehrers, die als Revanche durch die Luft in den Schnee segelten. "Weißt du noch damals . . ." ist ein Satz, den man hier häufig hört. Gespickt mit Erinnerungen, gewürzt mit Vorträgen, hausgemachter Musik und Diabildern. Manch einer hat sogar noch Schulbücher und Kladden von damals in der Schublade liegen. "Ein Löwe lag krank vor seine Höhle und schlief", zitiert Döring und lacht, "das war der erste Satz aus einem Diktat in der fünften Klasse." Sie haben eben fürs Leben gelernt, nicht für die Schule.

"Besonders geprägt hat uns Lehrer Gustav Jahn", bemerkt er rückblickend, das war der Herr, der ihnen lateinische Lebensweisheit und deutsches Liedgut mit auf den Weg gegeben hat. Eine Frage der Ehre also, dass auch im 75. Jubeljahr der Grundschulklassiker "Froh zu sein bedarf es wenig" angestimmt wird. Voller Inbrust, versteht sich, vierstimmig im Kanon. Gelernt ist eben gelernt.