Bei der alljährlichen Brotprüfung beißt sich Experte Karl-Ernst Schmalz durch knapp 70 Gelsenkirchener Brot- und Brötchensorten.Zwischen kernigem Pumpernickel und labberigem Toast nimmt er uns mit in die geheimnisvolle Welt der Backwaren
BROTTEST GEPRÜFT AUF KORN UND KRUSTE Die Deutschen und ihr Brot - bis heute eint unser Volk eine wahre Liebesgeschichte mit dem Laib aus Mehl, Wasser und Backtriebmitteln. Tausende Variationen zwischen kernigem Pumpernickel und labberigem Toastbrot sind auf dem Markt zu finden. Geschmackssache, klar, dennoch: Was macht ein Brot zum Brot? Karl-Ernst Schmalz kennt die Antwort. Für den Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks prüft er tagtäglich unser liebstes Grundnahrungsmittel auf Korn und Kruste.
Heute ist Schmalz in der Backstube des Berufskollegs Königstraße zu Gast und beißt sich mit Bäckerlehrlingen durch 35 Brote und 33 Brötchen. "Das ist für die Betriebe wie eine freiwillige Selbstkontrolle", erklärt Innungsobermeister Christian Zipper, "acht der 19 Gelsenkirchener Betriebe haben Kostproben abgegeben".
Ein riesiger Berg Brot liegt vor Schmalz, doch der gibt sich systematisch: "Ich arbeite mich von außen nach innen durch, schließlich isst das Auge ja mit." Ist der Laib gleichmäßig mit Mehl bestäubt und wie ist es um Farbe und Glanz bestellt? Die Kruste ist wichtig, erklärt er, nicht nur wegen des Geschmacks - "sie schützt das Produkt vor äußeren Einflüssen, wie beispielsweise Schimmelbildung".
Dann nimmt der Brotprüfer entschlossen das Messer zur Hand. Bröselt die Scheibe auseinander oder verstecken sich heimliche Luftlöcher an der Schnittkante? Routiniert lässt Schmalz seine Finger über die Krume tanzen, drückt hier und da und rupft schließlich ein kleines Stück aus der Mitte heraus. Dafür gab's früher bei Muttern eins auf die Finger, doch Schmalz handelt nun mit höherem Auftrag.
"Jetzt prüfe ich Geruch und Geschmack", erklärt der Experte, jetzt geht's ans Eingemachte. Doch er verlässt sich nicht allein auf seine Geschmacksnerven: Um den pH-Wert und Säuregrad zu testen, kommt ein Sensor zum Einsatz. "Dafür werden zehn Gramm Brotkrumen mit 100 Millilitern Wasser gemixt", zeigt Schmalz, "eine Elektrode misst dann die Säure".
Das richtige Mischungsverhältnis zu finden ist eine Kunst für sich. "In Norddeutschland mögen's die Leute eher kräftiger, im Süden isst man hingegen milderes Brot", weiß der Prüfer. Der Trend jedoch, verrät Obermeister Zipper, geht hin zum Körnerbrot. "Alles ist heute viel individueller als früher, wir sind bewusster in der Auswahl der Rohstoffe geworden." Gerade dieser höhere Anspruch an die Qualität stehe auch im Kontrast zur Discounter- Ware.
Manchmal, plaudert Zipper aus dem Nähkästchen, bastele er mit Kollegen wochenlang an einer neuen Kreation, manchmal hingegen entstehe ein Brot auch über Nacht. Und auch wenn der Prüfer am Ende des Tages ein goldenes Siegel auf die Kruste pappt, sagt das allein nichts über den späteren Erfolg an der Ladentheke - "ob ein Brot ankommt oder nicht, entscheidet hinterher immer noch der Kunde".