Mindestens vier Mal am Tag wird in Gelsenkirchen ein Auto aufgebrochen. Ein Schlag mit einem Stein, einem Hammer, und die Seitenscheibe zersplittert.Der angerichtete Schaden ist enorm: Auf eine Million Euro im Jahr beziffert ihn die Polizei.
„Es reicht schon, wenn wir die Halterung für das Navi sehen. Dann wissen wir, dass da meist was zu holen ist”Ein Täter in der Vernehmung
Fast kein Tag vergeht, dass die Polizei nicht neue Autoaufbrüche vermeldet. Exakt 1876 waren es 2007. Davor die Jahre sogar noch mehr, über 2000. Und im 1. Quartal 2008 waren es 400. Das ist der Polizei zu viel, zumal die Aufklärungsquote mit 2,29 % arg niedrig ist. Sie hat eine Ermittlungskommission eingesetzt. Drei Mann sind den Tätern auf der Spur. Mit Erfolg. Gleich drei Mehrfachtäter wurden quasi auf frischer Tat gestellt. Nachts am Maritim-Parkplatz. Seitdem ist dort zumindest Ruhe.
Die TäterAutomarder sind keine Zufallstäter. „Sie wollen das schnelle Geld bei der schnellen Tat”, weiß Gerwin Fengler, der Leiter der Ermittlungskommission. Der 44-Jährige war früher auch Rauschgiftfahnder. Nicht ohne Grund jagt er jetzt Autoaufbrecher. Denn ein Großteil kommt aus der Drogenszene, Stichwort Beschaffungskriminalität. Die Zahl der „semiprofessionellen” Autoaufbrecher wird dabei nicht groß sein, schätzt Fengler. Dazu gibt es die Profis, die auf Bestellung mit entsprechendem technischen Knowhow zum Beispiel mehrere Autos knacken und die Airbags ausmontieren.
Die TatDas geht rasend schnell und endet mittlerweile meist mit Scherben. „Üblich ist das Einschlagen der Seitenscheibe”, weiß der Kriminalhauptkommissar. Dazu reicht ein Nothammer, eine Eisenstange oder auch ein Stein, der auf der Straße lag. Zerbricht die Scheibe, ist das nur ein dumpfer Knall, kein lautes Klirren. „Wenn man den Knall hört, ist der Täter meist schon weg”, so Fengler. Der Schlag durch die Scheibe hat zugenommen, weil die Zahl der alten Autos mit Fensterknopf zurückgeht, der früher mit einer Drahtschlinge hochgezogen wurde. Manch Täter greift auch noch zum Schraubenzieher und versucht, das Schloss durchzustoßen. Andere Täter haben es auf nicht abgeschlossene Fahrzeuge abgesehen. „Ein Täter schilderte, wie er gezielt durch Parkhäuser ging und immer ein paar unverschlossene Autos gefunden hat”, berichtet der Leiter der EK
Die BeuteFrüher waren es die Autoradios, heute sind es die Navigationsgeräte, vor allem die mobilen, die leicht mitzunehmen sind. „Für Radios bekommt man heute nichts mehr”, so Gerwin Fengler. Zumal sie eben oft fest installiert sind. Für ein mobiles Navi dagegen gibt es 30 bis 60 Euro, je nachdem wie hochwertig das Gerät ist. „Die Täter gehen dann so lange durch Spielhallen, Kneipen oder Teestuben, bis sie einen Käufer für die Beute gefunden haben. Der wiederum müsste eigentlich wissen, dass mit dem Gerät was „faul” ist, wenn's weder Verpackung noch Anleitung dazu gibt. Wenn nachweisbar, ist das strafbar, Hehlerei nämlich: „Ein Tomtom-Gerät für 30 Euro, das kann nicht mit rechten Dingen zugehen”, warnt Fengler.
Die BrennpunkteBevorzugtes Terrain der Täter sind die Zentren in der Altstadt und in Buer. Am helllichten Tag, wenn die Innenstädte voll sind. Und am Wochenende bei schönem Wetter die Ausflugsziele: Die Parkplätze an der Zoom Erlebniswelt oder am Revierpark Nienhausen. Auch durch Parkhäuser streifen die Täter. Allerdings droht dort die Tataufnahme durch Videokameras.
Die ErmittlerSeit Februar ist die Ermittlungskommission DaK (Diebstahl aus Kraftfahrzeugen) aktiv. Immerhin, sie hat die Aufklärungsquote im 1. Quartal verdoppeln können, von 2,29 Prozent auf 4,77. Weil sie sich u.a. am Maritim Hotel auf die Lauer gelegt hatte und gleich drei Mehrfachtäter fasste. Und prompt ging die Zahl der Delikte zurück, wenn man wie Fengler weiß, dass die Ganoven alle paar Tage „auf Tour gehen”. Die Kripobeamten kennen sich aus in der Szene, kennen Tatmuster, Tatzyklen, Brennpunkte, die gezielt überwacht werden. Und mitunter hilft auch Kommissar Zufall: Von einer Überwachungskamera war Fengler die auffällige Kleidung eines Täters in Erinnerung geblieben und „zwei Wochen später sah ich ihn mit der selben Kleidung an einer Kreuzung. Der Mann staunte, als ich ihn zum Gespräch bat”, berichtet der 44-Jährige.
Die Vorbeugung
„Gelegenheit macht Diebe – Schützen Sie Ihr Eigentum”Zusammen mit dem Kommissariat Vorbeugung der Polizei läuft eine verstärkte Aufklärungsarbeit an Parkplätzen, in Parkhäusern, an Tankstellen mit Postern und Handzetteln oder dem Anti-Klau-Anhänger, der an Autofahrer verteilt wird. Einfache Botschaft: Keine Wertsachen im Auto liegen lassen Auch nicht für kurze Zeit. „Es reicht auch nicht das mobile Navi im Auto zu verstecken. Auch die leere Halterung reicht aus, dass der Dieb das Auto aufbricht und dann auch oft fündig wird”, warnt Kriminalhauptkommissar Gerwin Fengler, der rät, nicht nur das Navi (und natürlich Wertsachen) mitzunehmen, sondern auch gleich die Halterung, um Ganoven erst gar nicht anzulocken. So banal es klingt: Auch das Auto abzuschließen hilft! Und die Polizei warnt überdies: Für mobile Navigationsgeräte besteht bei Diebstahl im Regelfall kein Versicherungsschutz. Und der Ärger, eingeschlagene Scheiben neu einsetzen zu lassen, ist auch groß.