Am Rhein-Herne-Kanal läuft die Erschließung für das neue Stadtquartier. Bagger kämpfen mit den Zeugnissen der Industriegeschichte. Die Hälfte der 90 Hektar großen Fläche bleibt mit Wald bedeckt
BRACHEN IN DER STADT GRAF BISMARCK (1) Jetzt gibt es auf Graf Bismarck wieder eine Mondlandschaft. 30 Jahre hatte die Natur Zeit, sich breit zu machen, mit Birkenhainen, Brombeerbüschen, Rohrkolben und Sumpfiris. Nun kamen die Bagger und walzten nieder, was Wohngebiet, was Gewerbefläche werden soll. Und nicht nur das: Nach oben kehren sie das Unterste, und zu Tage kommen viele Spuren der Industriegeschichte.
"Das Gelände", sagt Achim Möller vom Grundstücksbesitzer LEG mit Blick über die gut 90 Hektar große Fläche, "ist eine riesige Boden-Deponie." Immer wieder wurde Erde nach Graf Bismarck geschafft, vom Gelände Chemische Schalke etwa, vom U-Bahnbau oder aus den Schächten auf Consol. Zehntausende von Lkw-Landungen kamen so über die Jahrzehnte zusammen. Nun, da das Gelände erschlossen wird, um den Weg frei zu machen für ein neues Stadtquartier, werden die Böden zusammengetragen, aufgeschichtet und katalogisiert.
Viele Hügel mit Erde in den unterschiedlichsten Farbschattierungen sind da entstanden, und die Bagger bleiben in Bewegung. Verunreinigtes Material kommt später nach unten, belastetes auf eine Deponie. Das Ganze, sagt Möller, der LEG-Mann, sei "ein riesiges Boden-Verteil-Spielchen", und schmunzelnd fügt er an: "wie im Sandkasten".
Am Ende, sagt Michael von der Mühlen, der Stadtbaurat, liegt oben eine drei Meter starke, saubere Erdschicht. Genug, verspricht er, damit die neuen Bewohner auch "ohne Bedenken Möhren und Zwiebel anbauen können".
Zwei Jahre dauert das, dann ist die Erschließung abgeschlossen, sind auch Abwasserkanäle und Stichstraßen angelegt. 600 Wohneinheiten insgesamt sollen auf die Fläche zwischen Kanal im Norden und A 42 im Süden, zwischen Zoom Erlebniswelt im Osten und Uechtingstraße im Westen. Im nächsten Jahr, noch parallel zu Erschließung, will die LEG in die Vermarktung einsteigen, sprich: die ersten Grundstücke verkaufen. Interessierte Investoren, sagt Martina Eichenauer von der LEG, gebe es viele. Doch zugreifen, fügt sie an, tun sie erst dann, wenn Flächen auch erschlossen sind.
Bis dahin ist noch viel zu tun. Die Uferzone etwa wird gerade angepackt, die Brücke über die Zufahrt zum verwaisten Hafenbecken erneuert; noch in diesem Sommer soll der Kanalweg freigegeben werden. Die Umspannanlage des ehemaligen Kraftwerks ist längst abgerissen und seine Masten abgetragen, allein: Was unter der Oberfläche schlummerte, wurde jetzt erst sichtbar. Schwer liegt da das Kraftwerks-Fundament im Boden, und die Kühlwasserleitung zum Kanal, betondick, muss mühevoll herausgebaggert werden. Das allein schlägt mit zwei der insgesamt 50 Millionen Euro Gesamtkosten für die Aufbereitung zu Buche.
Im Hafen, der mal das Herzstück von Graf Bismarck werden soll, mit Marina, Wohnhäusern, Geschäften und Bistros, tut sich viel. Die historischen Pumpenhäuser aus Ziegelstein werden in diesen Tagen abgerissen. Sie waren, so LEG-Frau Eichenauer, "in einem jämmerlichen Zustand". Auch die Hafenmauer von 1914 muss weg, hat doch der Zahn der Zeit ein wenig zu stark an ihr genagt. Wem sie weicht, das soll ein Hafenworkshop klären.
Zurück zu Birkenhainen, Brombeerbüschen, Rohrkolben und Sumpfiris. Auch sie gibt es noch, überall dort, wo nicht gebaut wird. Und das ist eine Menge: Gut die Hälfte des Areals, vor allem der Süden, bleibt Industriewald und somit grün.
Hier gibt es nicht viel zu tun, das hat die Natur erledigt. Und was die LEG tun musste, hat sie bereits getan: Trampelpfade führen durchs Gelände, auch einen Rad- und Wanderweg gibt es schon.