Es war im November, da eröffnete ihnen ihre Klassenlehrerin die schreckliche Nachricht: Daniel hat sich zuhause aufgehängt! Das ist jetzt zwei Jahre her. Wo sitzt die Trauer? Ein Besuch in der 8b der Hauptschule am Dahlbusch

Die Tränen fließen, wenn sich die Schüler der 8b heute an ihren toten Schulfreund erinnern. Fotos (3): WAZ, Martin Möller
Die Tränen fließen, wenn sich die Schüler der 8b heute an ihren toten Schulfreund erinnern. Fotos (3): WAZ, Martin Möller © WAZ

Warum hat er das gemacht? Er war doch einer von uns! Sowas macht man doch nicht einfach so! Fragen, die sich Jasmin, Ornella, Darim und die anderen Schüler der Klasse 8b der Hauptschule am Dahlbusch immer wieder stellen. Vor zwei Jahren war das, da kam ihre Lehrerin Christine Wurm morgens in die Klasse mit der schlimmen Nachricht: Der Daniel hat sich das Leben genommen.

"Ich erinnere mich noch, wie ich am Wochenende angerufen wurde und völlig geschockt war. Ich habe geweint, und dann habe ich an euch gedacht, und überlegt, wie ich euch das überhaupt sagen soll? Wie ich euch das erklären soll? Da habe ich Frau Schroeter-Rupieper angerufen, damit sie mir dabei hilft. Und euch auch hilft."

Christine Wurm, Lehrerin Mechthild Schroeter-Rupieper ist Trauerbegleiterin und sitzt mit im Stuhlkreis, den die 8b heute, in der fünften und sechsten Stunde, in der Mitte der Klasse gebildet hat. Im Zentrum liegt ein schwarzes Tuch mit Erinerungsstücken an Daniel. Fotos liegen da, Spielzeug, eine Kerze, Steine. Heute sitzen sie wieder zusammen und reden. Darüber, was Trauer eigentlich ist, und warum Trauer nicht aufhört. Und was man tut, wenn sie hochsteigt und sich einfach nicht vertreiben lässt.

"Ich erinnere mich noch genau, wie wir die Beerdigung vorbereitet haben. Zuerst haben wir zusammen die Bilder gemalt, damit wir das sortiert kriegen im Kopf. Die Beerdigung war dann sehr sehr traurig. Wenn ich jetzt an Daniel denke, dann kommen mir immer noch die Tränen."

Jasmin, 14 Jahre Die Tränen, die kommen, sind heute nicht schlimm. In der 8b sitzen sie sich gegenüber, erstaunt darüber, was bei so einem Gespräch alles zutage tritt. Rechts hinten wackelt einer auf seinem Stuhl, zwei Mädchen stecken die Köpfe zusammen. Wann sie eigentlich das letzte Mal geweint haben, will Mechthild Schroeter-Rupieper wissen. Ja, wann war das eigentlich?

"Ich weiss nicht mehr genau, wann das war. Ich weiss nur, es gab mal eine Zeit, da war ich so traurig, da habe ich angefangen, mich zu ritzen. Das traurige Gefühl wollte einfach nicht aufhören. Meiner Mutter habe ich erzählt, die Katzen hätten mich gekratzt. Zum Glück hat das Gefühl bald wieder aufgehört, und es ging mir besser, so dass ich das mit dem Ritzen wieder sein gelassen habe."

Ornella, 15 Jahre Der Tod von Daniel hat in der Klasse alle erschüttert. Erst war da der Schock. Und dann, mit der Zeit, viele Gespräche mit Frau Schroeter-Rupieper, auch untereinander. Was ist das eigentlich? Traurigkeit? Traurig machen können ganz viele Dinge, nicht nur der Tod, sagen die Schüler. Die Eltern, die von Scheidung sprechen. Die beste Freundin, die das Vertrauen bricht. Auch verliebt sein kann traurig machen. Und wenn es so ist?

"Ich denke, das beste ist, wenn man dann darüber redet. Man kann es zwar in sich hineinfressen, aber das klappt ja nicht für immer. Irgendwann, da ist man so voll, da muss dann einfach alles raus. Ich habe mich auch schonmal ganz nah neben die Bahngleise gestellt und so laut geschrien, wie ich konnte. Das hat auch geholfen."

Yasmin, 15 Jahre Keiner kichert, als sie das sagt, und keiner macht einen blöden Witz. "Den Daniel, den werde ich nie vergessen", kommt es ganz leise aus seiner Ecke.

Gleich ist die Doppelstunde zu Ende, und Daniels Stuhl wird auch morgen wieder leer bleiben. Aber für die Traurigkeit wird in der 8b Platz sein, auch morgen noch.