Der Konflikt im Gaza-Streifen, Militär-Operationen in Afghanistan und im Irak: Der Krieg ist da, er ist kein Phänomen von gestern, es gibt ihn auch heute. An vielen Orten auf der Welt. Diesem allgegenwärtigen Krieg setzt der Künstler Wolfgang Brecklinghaus seine „Apokalypse”-”-Arbeiten entgegen.
In seinem Atelier Antenne an der Kurt-Schumacher-Straße 100, direkt neben der Berliner Brücke, präsentiert er ab Freitag die neue Ausstellung „Kleine Formate” mit Werken aus 2007 und 2008.
Manchmal sind es eben die kleinen Dinge, die große Erinnerungen wecken. Wolfgang Brecklinghaus hat winzige Schräubchen, Bürsten, Lederriemen, Notizbucheinträge und Patronenhülsen zusammengetragen und sie in kleinen quadratischen Schaukästen mit Abzeichen oder alten Fotos zu neuen Bildern arrangiert. „Der Mann ohne Uniform” steht da auf einem Schnipsel in dieser typischen altdeutschen Schrift, die es mal zu Kriegszeiten gab.
Bilder von Schiffen sind zu sehen. Und alte Pflaster daneben. Die heile Welt sucht man jedoch in Werken von Brecklinghaus vergebens. Der 60-Jährige will mit seinen Bildern und Skulpturen den Betrachter ganz bewusst verstören und aufrütteln. „Ich werde oft gefragt, ob man mit Sachen, die Leid, Tod und Vernichtung bringen, ästhetische Arbeiten anfertigen darf”, erzählt Brecklinghaus, den die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg vor über zehn Jahren auf die Spur der Militärkunst brachte. „Meine Antwort auf diese Frage ist: Man darf nicht nur Arbeiten daraus fertigen, man muss es sogar. Um die Leute auf die unsinnigen Kriege aufmerksam zu machen.”
Seit Ende der 90er Jahre treibt sich Wolfgang Brecklinghaus immer öfter auf Sammlerbörsen herum, er pflegt den Kontakt zu einem Privatsammler in Belgien, der Relikte des Ersten und Zweiten Weltkrieges zusammenträgt, und tauscht mit ihm Ideen und Sammlerstücke aus. Und er klettert - mit Sondergenehmigung - in die Container eines Munitionszerlegungsbetriebs in Hünxe, um neue Stücke zu finden. „Das ist nicht ungefährlich, ich habe mich schon ein paar Mal verletzt, weil die Sachen dort so spitz sind und manche sehr scharfe Kanten haben”, sagt er.
70 Arbeiten sind in der aktuellen Ausstellung „Apokalypse - die kleinen Formate” in Gelsenkirchen zu sehen. Neben den genannten Schaukästen werden auch Collagen gezeigt, für die Brecklinghaus Texte und Gesichter aus alten Zeitungen und Flugblättern neu zusammengesetzt und teils übermalt hat. Er verwendet ausschließlich Originale, die dadurch in ihrer bisherigen Form für die Nachwelt für immer verschwinden. Genau diese gezielte Zerstörung von Zeitdokumenten bringt Wolfgang Brecklinghaus jedoch Genugtuung. Schließlich sollen seine Bilder die Kriegsgeschehnisse nicht verherrlichen, sondern ihren Sinn in Frage stellen.
Im Atelier Antenne hinterlassen kleine Formate eine große Wirkung: Wohl kaum einen Betrachter werden diese Bilder und Skulpturen kalt lassen. Einige, wie die winzige Skulptur, für die Brecklinghaus Patronenhülsen und ein altes Trafo so zusammengesetzt hat, dass sie an ein KZ mitsamt Schornsteinen erinnern, verstören nachhaltig. Und spätestens, wenn man abends die TV-Nachrichten schaut, merkt man, wie aktuell einige der Szenarien der kleinen Formate auch heute sind.