Scheckkarte weg, Konto gepfändet: Für Angelika schien der Weg aus der Schuldenfalle fast wieder verbaut.Ein zermürbendes Wochenende, Fehlersuche im Finanzamt. Vom Schock zum Aufatmen

Schock am Geldautomat (gestellte Szene): Angelikas Konto war gepfändet. Ein Fehler hatte fast ihren Weg in die Schuldenfreiheit zunichte gemacht. Foto/Montage: WAZ, Martin Möller
Schock am Geldautomat (gestellte Szene): Angelikas Konto war gepfändet. Ein Fehler hatte fast ihren Weg in die Schuldenfreiheit zunichte gemacht. Foto/Montage: WAZ, Martin Möller © WAZ

Vorab: Die Geschichte ist gut ausgegangen. Die 46-Jährige, nennen wir sie Angelika, kann hoffen in zwei Jahren, endlich, schuldenfrei zu sein, dem Makel der Privatinsolvenz entronnen zu sein. Fast wäre ihr jahrelange Ringen gescheitert. Wegen einer Panne, vielleicht eines Fehlers, auf jeden Fall wegen eines Falles behördlichen Selbstläufers.

Freitagnachmittag: Die 46-Jährige will Kontoauszüge holen. Es tut schließlich Not, gerade bei ihr, genau Bescheid zu wissen, was auf dem Konto ist. Doch die Karte wird eingezogen. "Stellen Sie sich den Schock, den Schreck vor", erzählt sie. Der wird noch größer, als man ihr in der Filiale eröffnet: Das Konto ist gepfändet, das Finanzamt hat den Daumen drauf. Droht wieder der finanzielle Absturz?

Das tatenlose Wochenende zermürbt in Gedankenspielen: Nicht genug, dass die Tage das Portemonnaie leer ist. Was ist da passiert? Was und warum wurde gepfändet? Hat das was mit den gut 600 Euro zu tun, die sie als Lohnsteuervorauszahlung 2007 hätte zahlen sollen? Doch das war doch längst erledigt, wieder gestrichen worden.

"Ich emfpand das alles als Willkür. Da wird von irgendwem über deine Zukunft entschieden, wird dein Leben zerstört", sagt Angelika und erzählt kurz im Schnelldurchlauf ihre "Schulden-Karriere": Der Mann plötzlich weg, untergetaucht. Kein Unterhalt, aber der Kredit für die Eigentumswohnung drückt. 1000 Euro Rate bei 1600 Euro Gehalt: Das geht nicht. Der Schuldenberg türmt sich auf knapp 90 000 Euro auf. Die Gänge zur Schuldnerberatung. Dann der Ausweg Privatinsolvenzverfahren.

Die ist ein Hoffnungsschimmer. Der Weg dahin steinig. Was bei ihrem ohnehin knappen Gehalt über die Pfändungsgrenze geht, tilgt Schulden. Vermieter, Arbeitgeber, alle müssen über die private Finanzmisere informiert werden. Man fühlt sich ein stückweit entmündigt, zumindest unter Kontrolle. Der private Insolvenzverwalter führt praktisch die Kasse. An ihn geht die offizielle Post.

Und die brachte den Stein wohl auch ins Rollen. Denn als Angelika am Montagmorgen noch vor Bürobeginn am Finanzamt steht, von einem zum anderen eilt, von einem Büro ins nächste ("ich gehe hier erst wieder, wenn das geklärt ist") bis zum stellvertretenden Leiter, kommt heraus, dass sie nach Steuerbescheid 600 Euro hätte nachzahlen müssen. Auch auf die Mahnung sei nicht reagiert worden. Dann pfändet das Finanzamt - da greift ein Rad ins nächste.

Angelika fällt aus allen Wolken, wundert sich auch, dass die Summe so verdächtig der der längst erledigten Vorauszahlung ähnelt. Immerhin: die oft vermeintliche Ausrede säumiger Steuerzahler, sie hätten die Post nicht bekommen, stimmt diesmal. Sie geht schließlich an den Insolvenzverwalter. Der weiß nach Rückfrage von nichts, hätte sie doch sonst benachrichtigt. Aufatmen.

Angelika lässt zugleich nicht locker. Das spüren auch die Finanzbeamten. Man schickt sie nicht nur von einem Zimmer zum anderen, sondern begleitet sie. Und dann kommt die Erlösung: Die Pfändung wird zurückgenommen. Dies auch schriftlich der Bank mitgeteilt. "Ich kann den Schock der Frau versteht", sagt Finanzamtsleiter Werner Schmand. "Da hätte alles kaputt gehen können", ist Angelika mit der Sache dagegen noch nicht ganz durch, hätte sich auch ein Wort der Entschuldigung gewünscht. Denn es kam am Montag noch merkwürdiger: Der Finanzbeamte eröffnete ihr nämlich nach Prüfung ihrer Steuererklärung plötzlich, dass der Steuerbescheid ohnehin falsch ist: Sie müsste gar nichts nachzahlen, sondern würde sogar etwas zurückbekommen. Da war wohl der Sohn in der Steuerprüfung nicht berücksichtigt worden.

Wer trägt das Schuld? "Ich nicht", denkt sich Angelika und sehnt eines herbei: ein Leben ohne Schulden.