Ihr Alter hat der Heroinhändlerin wohl das Gefängnis erspart. Denn das Gericht setzte die Strafe gegen die 80-Jährige zur Bewährung aus.

  • Seniorin stieg ins Heroingeschäft ihres drogensüchtigen Sohnes ein
  • Am Telefon aktiv nach Einkaufspreisen für das Rauschgiftgeschäft gefragt
  • Urteil der XVII. Strafkammer lautet auf zwei Jahre Haft mit Bewährung

Beim letzten Wort weint die alte Dame, die mit dem Rollator in den Sitzungssaal N 334 im Essener Landgericht gekommen ist. „Ich schäme mich“, sagt die 80-Jährige. Und: „Ich habe doch mein ganzes Leben gearbeitet.“ Kurz darauf war ihre Erleichterung groß. Die Frau aus der Resser Mark muss nicht ins Gefängnis. Die XVII. Strafkammer verurteilte sie zwar wegen Heroinhandel zu zwei Jahren Haft, setzte die Strafe aber ohne weitere Auflagen zur Bewährung aus.

Die Seniorin gehört zu einem großen Gelsenkirchener Dealerring rund um ihren 47 Jahre alten Sohn. Von ihm spricht sie meist als „unser Frank“. Sieben Jahre Haft hat er im Sommer bekommen.

Dass er ein Großhändler im Rauschgifthandel ist, so Richterin Gabriele Jürgensen in der Urteilsbegründung, sei ihr spätestens seit 2015 bekannt gewesen. „Sie hat es nicht nur am Rande mitbekommen“, sagte die Richterin am Donnerstag.

Mehrere Anklagepunkte hatte die Kammer zuvor eingestellt. Da ging es darum, dass sie sich zur Tarnung als Beifahrerin an den Einkaufsfahrten des Sohnes in Holland beteiligt hatte. Übrig blieben Fälle, in denen sie selbst Heroin abgegeben oder über Rauschgiftgeschäfte aktiv mitdiskutiert hatte.

Staatsanwältin Heike Handtke hatte zuvor eindeutige Worte für die Angeklagte gefunden: „Sie ist richtig fit für das Drogengeschäft.“ Dass sie ihre Rolle dennoch verniedlichte, kritisierte die Anklägerin: „Einsicht merkt man bei ihr nie.“ Dennoch war auch sie milder gestimmt als in anderen Drogenverfahren. Sie beantragte „trotz großer Bedenken“ zwei Jahre Haft mit Bewährung. Verteidigerin Jenny Lederer schloss sich da an.

Auch die Worte, die Richterin Jürgensen in der Urteilsbegründung wählte, klangen versöhnlich, ohne Schärfe. Als ihr stark drogensüchtiger Sohn immer psychotischer wurde, habe sie sich ins Geschäft eingemischt, sagte die Richterin. In den abgehörten Telefonaten sei zu hören, dass die Angeklagte ihren Sohn nach den Einkaufspreisen fragte und sich sorgte, ob er etwa zuviel zahle. Sie fragte auch nach der Qualität des Heroins, fast wie ein professioneller Drogenhändler, der die Qualität seiner Ware überprüft.

Da sei wohl der Geschäftssinn in ihr erwacht, meinte die Richterin zu der früheren Filialleiterin. Denn der Sohn habe immer mehr unter Drogen gestanden und schon Psychosen entwickelt. Gabriele Jürgensen: „Je zugedröhnter der Sohn war, desto mehr kam die alte Geschäftsfrau zutage.“ Dass sie ins Rauschgiftgeschäft abglitt, sei nur durch die unglückliche Konstellation mit dem Sohn zu erklären.