Gelsenkirchen. . Vor allem die jungen Leute freuen sich über eine lebendige Kneipenszene in Gelsenkirchen. Wo aber die einen feiern, fühlen sich andere in ihrer Ruhe oft auch gestört.

  • Die Umsetzung des Nichtraucherschutzgesetzes sorgt so manchen Kneipier mehr als die Musik
  • Die Gespräche vor der Tür stören Nachbarn – Wirte und Türsteher werben um Verständnis bei den Gästen
  • Eine lebendige Gastronomieszene belebt die Stadt, bringt aber auch Interessenkonflikte

Vor allem die jungen Leute freuen sich über eine lebendige Kneipenszene in der Stadt. Wo aber die einen feiern, fühlen sich andere in ihrer Ruhe oft auch gestört. Ein schwieriger Spagat? Die WAZ fragte bei den Wirten nach.

„Der Dauerstress geht an die Nerven. Ich überlege schon die Stadt zu wechseln“, sagt etwa Olaf Schäffermann, Inhaber des Irish Pub Consilium an der Wanner Straße, während er über Lautstärke-Beschwerden von Anwohnern spricht. Derzeit würde regelmäßig die Polizei vorbeikommen. Die Musik würde nicht beanstandet werden, sondern die Gespräche vor der Gaststätte.

Problem ist die Einhaltung des Nichtsraucherschutzgesetzes

„Mein Problem ist, dass unsere Gäste für die Zigarette durch das Nichtraucherschutzgesetz vor die Tür müssen. Es ist klar, dass sie sich draußen unterhalten. Unsere Türsteher machen die Gäste immer darauf aufmerksam, wenn sie zu laut sind und versuchen für Ruhe zu sorgen“, erzählt der 45-Jährige und fährt fort: „Da die Beschwerden anonym sind, können wir leider nur reagieren, nicht selbst handeln. Das ist so, als würde dir einer Steine an den Kopf werfen und du kannst nicht zurückwerfen.“ Etwas hilflos stellt er fest: „So kann Gastro nicht funktionieren. Sie lebt nicht mehr wie vor 20 Jahren. Heute muss man den Leuten etwas bieten, um bestehen zu können.“

© Martin Möller

Auch um junge Leute in der Stadt zu halten, müsste nach Aussage des Kneipiers einiges getan werden. „Oft bekommen wir von Gästen zu hören, dass sie froh sind, dass es uns gibt. Die zeigen auch Verständnis, wenn sie reingeschickt werden oder die Musik ausgemacht werden muss.“ Das Angebot an Live-Musik hat Schäffermann beschränkt, weil einige Instrumente zu laut seien.

Ein schwieriger Spagat

Thomas Nikutta, Inhaber von Flash Pub und Le Flair, kennt das: „Es ist ein Spagat zur Einhaltung des Nichtraucherschutzgesetzes bei gleichzeitiger Einhaltung der Nachtruhe, wobei man ein drittes Bein bräuchte für den Getränkeservice.“ Bei ihm sei ein Türsteher im Einsatz, der neben der Einlasskontrolle für Ruhe sorgt. Teils habe er das Gefühl, Polizei und Ordnungsamt seien nicht ganz zufrieden mit der Situation. „Die haben nicht die Gesetzte gemacht, aber müssen für die Einhaltung sorgen.“

Fragt man in Buer nach, sieht es nicht anders aus. Christoph Klug, er führt das Domgold und das Lokal ohne Namen, auch „fuck“ genannt: „Früher gab es immer mal wieder Beschwerden wegen des Lokal ohne Namen, mittlerweile kommt die Polizei zum Domgold. Dann sorge ich dafür, dass die Leute leise sind.“

Kontrollen ab 24 Uhr

Ab 24 Uhr würde immer jemand draußen stehen, der schaut, dass es vor dem Bar- und Bistrobetrieb ruhig ist. Dadurch falle eine Servicekraft weg oder man müsse extra jemanden kommen lassen. Weiter erzählt der 41-Jährige mit dem symbolischen Blick über den Kanal: „Ich finde es echt cool, dass sich einige Gelsenkirchener Kollegen einen Namen gemacht haben und sich eine Szene entwickelt hat. Wenn man jetzt wegen Lärm kommt, ist das nicht gerade förderlich, auch bei dem großen Leerstand und der schwindenden Einwohnerzahl, die wir in der Stadt haben.“ Zum demografischen Wandel meint der Wirt: „Dass Senioren in der Innenstadt wohnen, verstehe ich voll. Aber wenn wir eine lebendige Innenstadt haben wollen, sollten wir auch Studenten ansiedeln. Ich kenne aber auch ältere Menschen, die wohnen in der Innenstadt, weil sie auch etwas Action haben wollen.“

Rausgehen heißt, Kneipen besuchen. Der begleitenden Lärm sorgt für unterschiedliche Bewertungen.
Rausgehen heißt, Kneipen besuchen. Der begleitenden Lärm sorgt für unterschiedliche Bewertungen. © Michael Korte

Aktuell läuft es ganz gut

Zufrieden ist Cem Özdemir von der Rosi auf der Weberstraße: „Wir hatten ein paar Probleme, aber aktuell läuft es ganz gut. Ich versuche so weit wie möglich auf die Anwohner einzugehen. Die Leute sehen, da ist jemand, der bemüht sich und will uns nichts Böses.“

Alex Schlüter von Burgers & Beer sagt: „Ich habe gehört, eventuell kommt ein Gebäude für altersbetreutes Wohnen vor unsere Haustür. Wenn Leute um 22 Uhr schlafen wollen und bei zu viel Lärm die Polizei rufen, ist das ihr gutes Recht. Aber ich denke, im Innenstadtkern sollte das Leben pulsieren, gerade auch um junge Menschen in der Stadt zu behalten. Damit ist es schwierig, wenn solche Wohnungen direkt in die innenstädtische Zone gesetzt werden.“ Nach Aussage des Wirts müsse die Kommunikation zwischen Stadt und Gastronomie gesteigert werden.

Rücksichtnahme und Verständnis 

Wie sehen unterschiedliche Stadt-Akteure die Situation? Das sagt:

Der Projektentwickler Projektentwickler Siegbert Panteleit. Foto: Thomas Gödde

„Zur Attraktivität einer Stadt gehört auch ein Nachtleben und eine gastronomische Versorgung. Das ist städtebaulich, sozial, kulturell und wirtschaftlich wichtig“, sagt der freie Standort- und Projekt-Planer Dr. Siegbert Panteleit. Die Frage, die sich nicht nur die Stadtpolitik, sondern auch Bürgerinnen und Bürger laut Panteleit stellen sollten: „Wie schaffen wir es die Stadt für junge Leute attraktiv zu halten, damit diese auch nach der Ausbildung die Stadt nicht verlassen?“ Hierfür müsse man sich mit der Zielgruppe auseinandersetzen, „Angebote und Mitgestaltungsfreiräume schaffen.“ Wichtig sei jedoch auch die Mischung von älteren und jungen Menschen durch verschiedene Angebote. „Wenn das gut funktioniert, nehmen Menschen auch mehr Rücksicht aufeinander.“

Die Citymanagerin Citymanagerin Angela Bartelt. Foto: Martin Möller

„Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass die Gastronomie gestärkt wird und nicht nur auf der grünen Wiese stattfindet“, sagt Angela Bartelt. „Dazu gehört auch, dass die Leute in der Gastronomie auch mal lauter sein dürfen. Aber ich verstehe auch die Anwohner, die es stört, wenn es jeden Tag bis in die Puppen laut ist. Hier sollte die Gastro schauen, dass alles im Rahmen bleibt. Manchmal ist es jedoch sinniger, dass Anwohner das direkte Gespräch suchen, anstatt den Weg über Dritte zu gehen. Nur redenden Menschen kann geholfen werden. Generell ist meine Meinung, bei Gemeinschaftsveranstaltungen wie Gelsen City Sound sollte die Stadt mal ein Auge zudrücken.“

Der Wirtschaftsförderer

„Bei größeren Veranstaltungen sollten die Gastronomen zuvor den Dialog mit den Anwohnern suchen“, meint Bernd Gebert, Leiter der Abteilung Strukturentwicklung und Einzelhandel. „Bisher hat das immer gut geklappt. Bei Beschwerden von Anwohnern ist dann immer das richtige Fingerspitzengefühl gefragt. Das denke ich haben unsere Leute vom Ordnungsdienst. Wir versuchen es natürlich der Gastro so einfach wie möglich zu machen, aber bei rechtlichen Sachen haben wir keine Chance. Rücksichtnahme und Verständnis ist hier gefragt.“ Veranstaltungen von Gastronomen seien gern gesehen. „Die bringen Leben in die Stadt und machen Gelsenkirchen auch über die Stadtgrenzen hinaus interessant.“