Gelsenkirchen. . Sie ist bundesweit die größte Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, die FHöV Gelsenkirchen mit ihren heute acht Standorten und 8700 Studierenden.
Sie ist mit ihren jetzt genau 40 Jahren die älteste Fachhochschule in der Stadt, die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW mit Verwaltungssitz in Gelsenkirchen und acht landesweiten Lernstandorten. Nicht nur die Verwaltung, auch einer der acht Lernstandorte ist in Gelsenkirchen, an der Wanner Straße 158, im ehemaligen Verwaltungsgebäude von Saint Gobain.
Mit ihren aktuell insgesamt 8700 Studierenden ist die FH auch deutschlandweit die größte „FHöV,“ wie sie sich in bestem Verwaltungsdeutsch abkürzt. Akademisch ausgebildet wird hier für den gehobenen Dienst der Kommunalverwaltung, der Landesverwaltung der Rentenversicherung und für die Polizei. Vor allem bei Letzterer hat sich viel verändert. Gefeiert hat die Fachhochschule ihr 40-jähriges Bestehen mit einem Studierendenprojekt zur eigenen Geschichte – die nicht veröffentlicht ist – und einer Sonderausgabe ihrer Fachzeitschrift für die öffentliche Verwaltung.
Klare Strukturen – architektonisch und im Studienplan
Man hat es in dieser Lehranstalt unübersehbar nicht mit Schnörkeln. Das Studiengebäude ist klar strukturiert, weiß getünchte Wände ohne Bilder, nahezu leer wirkende, saubere Flure und schwarze Ledercouchen im Eingangsbereich prägen den ersten Eindruck. Strukturiert, aber zugleich freundlich und einladend.
Eine sehr klare Struktur hat schließlich auch die duale Ausbildung bzw. das duale Studium im Hause. Für jedes der drei Studienjahre im Bachelor-Bereich gibt es einen klaren Kursplan inklusive Praxiszeiten. Jeweils sechs aufeinander aufbauende Klausuren sind zu bestehen. Wer auch die Wiederholung einer missglückten Klausur nicht schafft, muss das Studium abbrechen, erklärt Uwe Hofmann, der Leiter der Verbundabteilung Gelsenkirchen, Hagen, Dortmund der FHöV.
Bachelor-Studiengänge für Polizei, Verwaltung und Rentenversicherung
Die Aufgaben und Ausbildungswege der FHöV haben sich indes seit ihrer Gründung deutlich verändert. Im Verwaltungsbereich ebenso wie im Polizeivollzugsdienst. Bachelor-Studiengänge gibt es hier für den Kommunalen Verwaltungsdienst, Allgemeine Verwaltung, den Staatlichen Verwaltungsdienst und Rentenversicherung. Zudem wird ein berufsbegleitendes Masterstudium angeboten an drei Standorten.
Besonders viel hat sich im Polizeivollzugsdienst geändert. Während früher an Polizeischulen gelernt wurde, durchlaufen heute alle Polizeianwärter ein duales Studium an der FHöV bis zum Bachelor nach drei Studienjahren. Fachhochschulreife ist die Mindestanforderung dafür, viele kommen sofort nach dem Abitur, aber auch Seiteneinsteiger, die bereits eine Berufsausbildung hinter sich haben, sind darunter.
Nur der Dienstherr darf für den Bachelor hier einschreiben
Dabei kann sich hier niemand selbst einschreiben. Das tut der Dienstherr, nachdem er einen Bewerber eingestellt hat. Die Zahl der Einstellungen ist zuletzt in die Höhe geschnellt: 1920 Erstsemester in 2016. 500 waren es in NRW vor zwölf Jahren. Die Studenten werden alimentiert, sie bekommen 1000 Euro im Monat. Beamtenanwärter müssen sich nur noch selbst krankenversichern. Der Nachteil: Wer es nicht schafft — im Schnitt acht Prozent eines Jahrgangs – rutscht sofort in Hartz IV, weil er ja nicht in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat.
Praxisbezug wichtiger Bestandteil des Studiums
Umstellung vom Diplom auf Bachelor 2012 abgeschlossen
Am Standort Gelsenkirchen der FHöV studieren aktuell 491 Polizeivollzugsdienstanwärter und 376 Anwärter für den Verwaltungsdienst für den Bachelor. Zudem laufen drei Masterkurse.
Die Umstellung auf Bachelorstudiengänge erfolgte im Polizeibereich 2008, im Kommunalen Verwaltungsdienst 2010. Im Sommer 2012 wurde der letzte Diplomstudiengang verabschiedet.
NRW-weit begann die FHöV in 1976 mit 3322 Studierenden. Seither steigerte sich die Zahl stetig bis auf heute 8700.
Erster Leiter der FHöV war Ernst Pappermann von 1976 bis 1981), ihm folgte Dieprand von Richthofen – er blieb bis 2007. Von da an leiteten Präsidenten die FHöV: Ludger Schrapper war der erste Präsident, Reinhard Mokros folgte ihm im 2013 im Amt und ist bis heute Präsident.
An diesem Montag sitzt der zweite Jahrgang im Kurs Verkehrsrecht beim ersten Polizeihauptkommissar Ulrich Marwig. Der Mann kennt die Praxis, die Studierenden unüberhörbar auch schon. Es geht um sehr praktische Fallbeispiele: Darf ein Müllfahrer im Dienst im Halteverbot stehen bleiben, damit einer aus dem Team ein Brötchen beim Metzger abholen darf? Gilt dafür auch der 35.6 (Paragraf der Strafverkehrsordnung). Nein, er darf es nicht. Es dient nicht der Erfüllung der Aufgaben.
Dieser Kurs besteht nur zu einem Drittel aus jungen Frauen, generell ist aber heute die Hälfte der Anwärter weiblich. Ihre Ziele: Erstmal das Studium schaffen. Und dann: SEK, Reiterstaffel, Hundestaffel, Kriminalwache, aber auch Streifendienst – alle Berufswünsche sind vertreten. Bei beiden Geschlechtern, auch wenn mancher der Männer betont, bei ihnen liege der Fokus stärker auf Action.
Kooperation mit Schulen soll Engpässen beim Nachwuchs entgegenwirken
Abteilungsleiter Uwe Hofmann plant schon heute für die Zukunft, wenn der Nachwuchs knapp wird und der öffentliche Dienst mit privatwirtschaftlichen Unternehmen um Interessenten von den Schulen buhlen muss. Auch deshalb hat er mit seinem Verwaltungsleiter Cesur Soyat Kooperationen mit Schulen in der Stadt in die Wege geleitet. Mit einigen Kindertagesstätten und Grundschulen wird schon zusammengearbeitet. 34 Studierende und drei Lehrende unterstützen dabei ehrenamtlich die Einrichtungen, arbeiten mit den Kindern und lernen selbst dabei. Und ganz nebenbei wird so vielleicht auch bei Schülern das Interesse an einer Arbeit im öffentlichen Dienst geweckt. Soweit die Idee. Auch mit Gymnasien und Gesamtschulen ist man im Gespräch.
Jugendliche besser auf das Studium und den Beruf vorbereiten
Angedacht ist auch eine Kooperation mit der Westfälischen Hochschule (WH). Dabei will man auch die dort gewachsene Idee, Talente mit schlechteren Startchancen gezielt zu fördern, der Förderung von Talenten will man ebenfalls verfolgen. Und statt über die Studierunfähigkeit von Jugendlichen zu jammern, will man sie lieber auf ihr Studium und den Beruf vorbereiten. Cesur Soyat (38) hat selbst an der FHöV studiert; er hat allerdings noch sein Diplom als Verwaltungswirt gemacht. Wie weit die Zusammenarbeit mit der WH gehen kann, ob gar Standards angeglichen werden können, ist noch offen.
Bei den Lehrenden an der FHöV überwiegen übrigens zahlenmäßig die nebenamtlichen Lehrbeauftragten. 800 nebenamtliche Dozenten und Dozentinnen mit Praxiserfahrung stemmen rund 40 Prozent des Unterrichts, 200 hauptamtlich Lehrende in der Gesamt-FHöV die „restlichen“ 60 Prozent.