Gelsenkirchen. . Fünf Industrie- und Handelskammern stellen den Ruhrlagebericht vor. Moderates Wachstum prognostiziert. Die Einstellungsbereitschaft wächst.

  • Neun von zehn Firmen in Gelsenkirchen bewerten ihre Situation als gut oder befriedigend
  • Dazu erwartet rund jede sechste Firma bessere Geschäfte in den kommenden Monaten
  • Aber: In Gelsenkirchen und der Emscher-Lippe-Region gibt es mehr Betriebe mit Skepsis

Eine positive Nachricht präsentierten die fünf Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet bei der Vorstellung ihres 97. Ruhrlageberichts in Gelsenkirchen. Sie prognostizierten weiterhin „ein moderates Wachstum, maßgeblich geprägt von privatem Konsum und Wohnungsbau“.

Besonders erfreulich fällt das Gesamturteil der 960 befragten Betriebe mit insgesamt 138 000 Beschäftigten bei den Erwartungen aus. „Unverändert bewerten neun von zehn Unternehmen ihre Geschäftslage als gut oder befriedigend. Jedes fünfte Unternehmen rechnet mit besseren Geschäften in den nächsten Monaten, nur jedes achte mit schlechteren“, sagte Lars Baumgürtel, der geschäftsführende Gesellschafter der Gelsenkirchener Verzinkerei Voigt und Schweitzer und zugleich Vizepräsident der federführenden IHK Nord Westfalen. Damit bleibt der Konjunkturklimaindikator mit einem Wert von 117 (-1 gegenüber Jahresbeginn) auf einem stabilen Niveau.

In Gelsenkirchen und Bottrop sowie in der Emscher-Lippe-Region folgen die befragten Unternehmen mit leichten Abweichungen dem Gesamttrend (siehe Grafik). Neun von zehn Firmen bewerten ihre Situation ebenfalls als gut oder befriedigend. Dazu erwartet rund jede sechste bessere Geschäfte, allerdings auch jeder fünfte Betrieb schlechtere Geschäftszahlen – ein signifikanter Unterschied zum positiven Gesamtbild.

Sorge um Fachkräfte

Der Kauflaune der Bürger und den vollen Auftragsbüchern im Baugewerbe zum Trotz, sehen immer mehr Betriebe den Fachkräftemangel als Unsicherheitsfaktor. Baumgürtel: „Das Risiko Fachkräftemangel manifestiert sich.“ Waren es insgesamt bei der vergangenen Erhebung in 2015 noch 37,2 Prozent der Unternehmen, die sich dahingehend Sorgen machten, so stieg der Wert nach der aktuellen Befragung auf 45,5 Prozent.

Ähnliches ist für Gelsenkirchen/Bottrop als auch für die Emscher-Lippe-Region zu verzeichnen. In dieser Sparte stiegen die Zahlen von 29,2 Prozent auf 33,3 Prozent beziehungsweise von 29,9 auf 27,3 Prozent. Die Verunsicherung ob des Nachschubes an qualifizierten jungen Menschen nimmt also zu.

Damit im Zusammenhang steht auch die Bereitschaft, mehr Personal einzustellen. 18,8 bzw. 17,9 Prozent der Unternehmen in Gelsenkirchen/Bottrop respektive in der Emscher-Lippe-Region bekundeten in 2015 ihren Willen dazu – aktuell stiegen diese Zahlen auf 23,3 und 18,9 Prozent.

Der Gelsenkirchener Unternehmer Lars Baumgürtel dazu: „Der Arbeitsmarkt wandelt sich von einem Nachfragemarkt zu einem Anbietermarkt, weil Betriebe viel stärker als zuvor um ihre Fachkräfte werben müssen.“

Ein kleiner Lichtblick für Arbeitslose ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung: Fast jedes fünfte Unternehmen ist hier auf der Suche – etwa in der Gastronomie, im Hotelgewerbe und in der boomenden Logistikbranche – das sind fast doppelt so viele wie vor vier Jahren.

Stärkerer Blick auf ausländische Fachkräfte

Eine weitere Botschaft des Ruhrlageberichts ist, dass die Nachfrage nach Fachkräften mit einer klassischen Lehre deutlich gestiegen ist. „Der Anteil ist von 32 Prozent im Jahr 2012 auf aktuell 41 Prozent gestiegen“, sagte Lars Baumgürtel, Vizepräsident der IHK Nord Westfalen. Im selben Zeitraum sei die Nachfrage nach Hochschulabsolventen von 59 Prozent auf jetzt 42 Prozent gesunken.

„Bemerkenswert“ findet Baumgürtel, dass die Betriebe jetzt „deutlich internationaler denken“. 18 Prozent der Unternehmen wollen Fachkräfte aus dem Ausland einstellen. Immerhin jedes zehnte plant, Flüchtlinge zu beschäftigen.

Die Zahlen zur Beschäftigung von Flüchtlingen, zeigen für Baumgürtel, dass das mehr als eine unverbindliche Absichtserklärung ist. Laut Umfrage beschäftigten bereits heute acht Prozent der Unternehmen Flüchtlinge als Praktikanten, Einstiegsqualifikanten, Auszubildende oder Angestellte.