Gelsenkirchen. Alexander Scheidmüller kam über das Mentoring-Programm der Joblinge zu Amevida. Als angehender Kaufmann ist er nun dort einer von 26 Azubis.

Eigentlich, sagt Alexander Scheidmüller, sei er an seiner Wunsch-Stelle gelandet. Kaufmann für Büromanagement wollte der 19-Jährige lernen. „Da bin ich ja jetzt auch gelandet.“ Doch zwischenzeitlich hat er nicht mehr daran geglaubt, dass es was wird mit seinem Lebensplan. „2015 habe ich die Schule mit dem Fachabitur verlassen. Doch eigentlich war die Zeit auf dem Berufskolleg schon eine Notlösung, danach war ich ein halbes Jahr in einer Maßnahme“, erzählt Scheidmüller.

So richtig angenommen und angekommen fühlte er sich dort nicht. „Dann bin ich zu den Joblingen gewechselt. Letztlich kam dann der Erfolg schnell.“ Seit August ist der junge Hertener Auszubildender beim Callcenter-Dienstleister Amevida in Ückendorf

Die Umwege, über die sein beruflicher Lebensweg führte, sind im Vergleich für andere Bewerber vielleicht nicht lang, nicht mal sonderlich verschlungen. Auch ist Scheidmüller mit 19 nicht gerade alt, um als Azubi durchzustarten. Doch den Hertener hat es genervt, dass er keine Stelle fand, dass seine Bewerbungen ins Leere liefen.

Die „Joblinge“, auch in Gelsenkirchen nach eigenem Bekunden unterwegs, um „benachteiligte Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt zu unterstützen“, brachten ihm die persönliche Wende, über ein Betreuungsprogramm, über ein Praktikum, schließlich über ein erfolgreiches Bewerbungsgespräch. Was anders lief als bei den Versuchen zuvor? „Ich glaube, mein Selbstbewusstsein ist deutlich besser geworden. Ich denke, das war entscheidend“, sagt der 19-Jährige.

Image der Callcenter-Branche ist optimierungsfähig

Insgesamt starteten im letzten Monat 17 neue Auszubildende bei Amevida, herausgefiltert aus über 1000 Bewerbungen. Zehn Berufseinsteiger werden zu Servicefachkräften für Dialogmarketing, fünf zu Kaufleuten für Büromanagement und zwei zum IT-Systemkaufmann ausgebildet. „Aktuell haben wir 26 Auszubildende. Wir wollen die Zahl weiter steigern und Verantwortung übernehmen, um jungen Leuten Perspektiven zu bieten“, kündigt Bianca Toffoletti, in der Geschäftsleitung unter anderem für den Personalbereich zuständig, an. Die Übernahmechance ist hoch: „2016 hatten wir acht positive Ausbildungsabschlüsse, daraus sind sieben unbefristete Übernahmen entstanden“, so Anna Hölper, Referentin Ausbildung beim Unternehmen.

Amevida zählt zu den Top 15 der deutschen Callcenter-Dienstleister und beschäftigt rund 1860 Mitarbeiter in Essen, Dortmund, Oberhausen, Bochum und am Sitz in Gelsenkirchen.

Unternehmerische Größe ist eine Sache – doch das Image der Callcenter-Branche ist offenbar optimierungsfähig. „Der Ausbildungsberuf Dialogmarketing ist noch nicht wirklich so bekannt und vielleicht auch nicht so wohl gelitten“, glaubt Hölper, die ihre Ausbildung selbst im Haus absolviert hat. Doch er biete die Chance, in ganz viele Berufe reinzukommen“, beispielsweise als Trainer oder Teamleiter.

„Wir brauchen Chancengeber im Ruhrgebiet"

„Wir sind ein Bildungsträger auf dem Markt im Übergang von Schule zu Beruf“, sagt Regionalleiter Raphael Karrasch über die „Joblinge“. In 20 Städten gibt es die gemeinnützige Initiative, seit 2014 auch in Gelsenkirchen. Doch – etwas – anders zu sein als die anderen, hat hier Prinzip. Bei den „Joblingen“ muss man sich in einem Aufnahmeverfahren, gerne in einem sozialen Projekt, durchsetzen. „Wir wollen sehen, ob die Kandidaten motiviert sind.“ Wer es schafft, bekommt ein sechsmonatiges Maßnahmen-Paket – mit Mentoren-Begleitung, mit praxisnahem Schulungsprogramm, mit intensiver Betreuung.

„Was wir fördern, ist nachhaltige Entwicklung. Uns ist wichtig, dass die jungen Leute in Ausbildung bleiben“, betont Karrasch. Entsprechend registriert er kaum Abbrecher und eine im Vergleich hohe „Vermittlungsquote von 74 Prozent“. Ohne die Wirtschaft – sie trägt die „Joblinge“ mit – geht das Konzept nicht auf in einer Region, in der die Jugendarbeitslosigkeit bei 14,6 Prozent liegt, in der immer noch oft zwei Bewerber auf eine freie Stelle kommen. „Wir brauchen Chancengeber im Ruhrgebiet, wir brauchen Unternehmen wie Amevida, die bereit sind, auszubilden“, appelliert Karrasch.

Die „Joblinge“ werden als gemeinnützige Aktiengesellschaft in Gelsenkirchen über die öffentliche Hand (Jobcenter), aber auch über Stiftungen wie die Brost-Stiftung sowie private Arbeitgeber finanziert. Lokale Kooperationspartner sind z. B. Gelsenwasser und Vivawest. Im Oktober beginnt ein neuer „Joblinge“-Kurs. Unternehmenskoordinator Jan Rupprich: „Dafür brauchen wir Praktikums- und Ausbildungsplätze für 60 Akteure“.