Gelsenkirchen. Die Straße trägt den Namen des Mannes, der sich intensiv für die Verselbstständigung Rotthausens eingesetzt hatte. Sie teilt sich in den quirligen West- und den ruhigen Ostteil.

Die kleine Einkaufs- und Lebensmeile mit langer Geschichte ist keineswegs 2000 Meter lang. 520 Meter misst sie, 27 000 Zentimeter davon im westlichen Teil, wo die kleine und meist feine Geschäftswelt die Abdeckung der Grundversorgung garantiert, der Rest im wesentlich ruhigeren östlichen Teil, der sich am viel diskutierten Toilettenhäuschen und dem Ernst-Käsemann-Platz vorbei schlängelt. Die Steeler Straße trennt die Straße fast in der Mitte.

Die Karl-Meyer-Straße – bis 1911 Carl mit C – war früher das Zentrum von Rotthausen. Der Stadtteil selbst gehörte seit 1874 zur Bürgermeisterei Stoppenberg, machte sich 1906 selbstständig, hatte an der Karl-Meyer-Straße ein eigenes Rathaus und die Feuerwache. Bis zum Zweiten Weltkrieg ... Karlheinz Rabas kennt die Geschichte.

Der Hobby-Historiker des Stadtteils und (unter anderem) Mitglied der Rotthauser Bürgervereins erzählt mit Bürgervereins-Vorsitzendem Georg Gerecht und den beiden Rotthauser Netzwerkern Klaus Koschei und Hans-Günter Iwannek beim Gang über Streifzug über die 520 Meter vieles aus der Geschichte der „KMS“. Etwa, dass Theodor Heuss, der erste deutsche Bundespräsident, 1955 über diese Straße ging. Anlass war eines der beiden Unglücke auf der Zeche Dahlbusch.

Hier gab es einst zwei Kinos

Heute kaum vorstellbar: An der 270 Meter langen Einkaufsmeile des Stadtteils gab es gleich zwei Kinos: die Lichtburg (heute residiert dort Tedi) und weiter oben den Filmpalast, in den später die Volksbank zog. Wobei – Filmpalast oder -palette, da sind sich Georg Gerecht und Karlheinz Rabas nicht so ganz einig. Gerecht sagt, das Kino habe Filmpalast geheißen, daneben sei aber die Tanzpalette gewesen. Gleich wie, beide Unternehmen sind von der Karl-Meyer-Straße verschwunden.

Kennen sich in Rotthausen bestens aus (v.l.) Georg Gerecht, Klaus Koschei, Hans-Günther Iwanek und Karlleinz Rabas.
Kennen sich in Rotthausen bestens aus (v.l.) Georg Gerecht, Klaus Koschei, Hans-Günther Iwanek und Karlleinz Rabas. © Foto: Martin Möller / Funke Fot

Stichwort verschwunden. Das Schicksal vieler jüdischer Bürger teilte auch die Familie Löwenthal, die an der Karl-Meyer-Straße 2 ein Kaufhaus hatte. Im Gehweg eingesetzte Stolpersteine und eine Texttafel an der Fassade halten die Erinnerung an die dunklen Stunden in Zeiten des Nazi-Terrors wach.

Zurück zur Karl-Meyer-Straße heute. Der Bürgerverein und auch das Rotthauser Netzwerk haben gemeinsam mit anderen Vereinen einiges getan, um die kleine Einkaufsmeile aufzuhübschen. Etwa Blumenampeln an Laternenmasten angebracht. Oder etwa sieben Hochbeete angelegt, für die Schüler der Hauptschule Dahlbusch die Pflege übernommen haben. Mit Hilfe von Gelsendienste wurde ein Hundekot-Tütenspender aufgestellt. Grundsätzlich, sagt Klaus Koschei, „muss man auch mal sehen, was gut ist. Zum Beispiel die Autobahnanbindung und die Infrastruktur.“ Worauf man am meisten verzichten könne: „Das Wettbüro.“

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So kurz die Einkaufsstraße, so vielseitig ist allerdings das Angebot. Die Apotheke, drei Blumengeschäfte, Drogerie, Boutique, Schreibwarenladen, Nudelland, Gartenbröcker, Dela Küchen Bresda, Ärzte ... und dann natürlich: die Metzgerei Thelen an der „KMS“ Nr. 10. Der Meisterbetrieb von Heinrich Thelenist ist noch viel mehr als die erste Adresse für Fleisch- und Wurstwaren. Er ist „das schwarze Brett“ des Quartiers. Alle Veranstaltungen und Termine findet man hier auf einen Blick: an der gläsernen Ladenfront ausgehängt. Kurz dahinter im Einmündungsbereich zur Belforter Straße, steht das Tinibel-Haus. „Daneben“, sagt Georg Gerecht, „stand früher das so genannte Katzenhaus.“ Auch das ist Geschichte: Es wurde abgerissen.

Hochbeet mit Bepflanzung

Und noch einen Meisterbetrieb findet man an der Karl-Meyer-Straße: Tischlermeister Franz Schubert und Sohn. Seit 1966 ist der Familienbetrieb hier angesiedelt. Dritter Meisterbetrieb im kleinen Handelszentrum ist die Friedhofsgärtnerei von Alfred Ferse. Der an diesem heißen Tag ehrenamtlich im Einsatz ist. Dazu muss man allerdings die Steeler Straße überqueren und in den ruhigen Teil der „KMS“ gehen. Dort rupft Meister Ferse Unkraut aus dem Hochbeet am Ernst-Käsemann-Platz. Es wurde im Rahmen der Immobilien- und Standortgemeinschaft Karl-Meyer-Straße Ost e.V. angelegt. Die ISG, die hier übrigens das Winterlicht initiiert hat, läuft aus. Hochbeet mit Bepflanzung wird in den nächsten Monaten an Gelsendienste zurück gegeben.

Der Bürgerverein hat seinen Sitz an der Karl-Meyer-Straße 47, ein paar Meter von der Bezirksdienststelle (nicht Wache!) der Polizei entfernt. Gegenüber, im Haus Nr. 50, erinnert das Schild „Café de Paris“ an die frühere Nutzung. Eine Mini-Kita soll hier einziehen. Der Bedarf sei wohl da, sagt der Hausbesitzer, der seit März auf grünes Licht für die Nutzungsänderung wartet. Auch das gehört zu 570 m „KMS“.