Gelsenkirchen.. Die WAZ Gelsenkirchen hat Prominente nach ihrem Lieblingsbild im Kunstmuseum gefragt. Autorin Inge Meyer-Dietrich hat sich für René Magritte entschieden.
Das Kunstmuseum Gelsenkirchen beherbergt viele Kunstschätze. Die WAZ fragt prominente Gelsenkirchener nach ihrem Lieblingsbild aus dem Haus. Heute stellt Autorin Inge Meyer-Dietrich ihren Favoriten vor, einen Magritte. Das Bild war zuletzt in der Kunsthalle Bremen zu sehen, derzeit hängt es im Prager Rudolfum. Nach Gelsenkirchen kehrt es im Dezember zurück.
„Seit Jahrzehnten habe ich ein Faible für Magritte. Das hat sich auch nicht geändert, als der belgische Maler in Mode kam. Poster, Postkarten, Kalender mit Reproduktionen seiner Werke. Ich wusste sofort: Sollte ich ein Bild aus unserem Museum auswählen, würde ich über „Le grand siècle“ („Das große Jahrhundert“) schreiben. 1954 entstand das 50 x 60 Zentimeter große Ölgemälde. Ein einsamer Mann steht mit dem Rücken zum Betrachter. Schwarz gekleidet, geheimnisvoll, trägt er die für Magritte typische schwarze Melone. Hinter dem Mann ein Stück Mauer, vor ihm eine große grüne Wiese, links und rechts davon Wald. Geradeaus in der Ferne ein großes Gebäude. Ein Schloss vielleicht?
Stuckdecke statt Himmel macht die Außen- zur Innenwelt
Ich stelle mir vor, dass der Mann auf jemanden wartet, wünsche ihm, dass er eine angenehme Verabredung hat und nicht zu lange warten muss. Aber Magritte wäre nicht Surrealist, wenn es in seiner friedlichen Landschaft nichts Irritierendes gäbe. Mit all seinen Bildern zwingt er uns zu genauem Hinsehen. Hier ist es der Himmel als Stuckdecke, die das Außen gleichzeitig zum Innen macht. Die der Weite des Bildes eine Begrenzung aufzwingt. Warum verweigert Magritte, der so wunderschöne Himmel, Monde und Wolken gemalt hat, sie uns hier? Warum sind die Bäume links im Bild hell und licht, während sie rechts und hinter dem Schloss zu dunklem Nachtwald verschwimmen?
Muss sich der Mann zwischen Hell und Dunkel, zwischen Tag und Nacht entscheiden? Und warum nennt Magritte sein Werk „Das große Jahrhundert“, in der Mitte des 20. Jahrhunderts mit seinen zwei Weltkriegen? Wie im Französischen, Magrittes Muttersprache, der 1. Weltkrieg „Der große Krieg“ heißt... Fragen. Das mag ich, neben der Ästhetik seiner Bilder, so sehr an Magritte: Die Fragen, die er in mir wachruft. Fragen, die ich mir auf meine eigene, persönliche Weise beantworten kann.“