Gelsenkirchen. Der Verwaltungsvorstand erfuhr erst nach dem Brand, dass die als Flüchtlingsunterkunft genutzte Traglufthalle seit April nicht mehr versichert war.

Am 9. Mai stand die Traglufthalle in Schaffrath lichterloh in Flammen. Am 10. Mai hat die Aufklärungsarbeit begonnen – bei der ermittelnden Polizei und innerhalb der Stadtverwaltung. Dort fiel man an höchster Stelle wohl aus allen Wolken, als nach dem Brand bekannt wurde: Für die Halle bestand seit dem 1. April kein Versicherungsschutz mehr. Im Mietvertrag mit Traglufthallenproduzent Paranet indes hat sich die Stadt zur Versicherung der Flüchtlingsunterkunft verpflichtet.

„Wir prüfen zurzeit ganz genau, was da an welchen Stellen schief gelaufen ist“, erklärte Rechtsdezernent Dr. Christopher Schmitt am Mittwoch auf Nachfrage der WAZ. Die hausinterne Aufklärungsarbeit begann an Tag eins nach dem Feuer. Oberbürgermeister Frank Baranowski gab den Auftrag dazu.

Drei Dienstellen waren involviert

Mit dem Referat Hochbau, der Stabstelle Flüchtlinge und dem Rechtsamt waren nach Schmitts Worten drei Dienststellen in die Angelegenheit involviert. Bis zur Vorstandsebene ist das Ringen um Versicherungsschutz aber nicht vorgedrungen. „Nach meiner Kenntnis wusste auch kein Referatsleiter davon, dass der Versicherungsschutz abgelaufen war“, so Schmitt.

Zum Hintergrund: An der Aufstellung mehrerer Waschmaschinen und Wäschetrockner in der Traglufthalle schieden sich die Geister. Die waren gemäß Brandschutzkonzept in einem eigenen Raum in der Halle aufgestellt, der nach oben offen war. Die Feuerschutzgemeinschaft (FSG) war anderer Auffassung über Art und Ort der Aufstellung und erteilte nur vorläufigen Versicherungsschutz ab 9. Februar. Ein von Vermieterin Paranet empfohlener anerkannter Brandschutzsachverständiger bescheinigte der Stadt dagegen, die Geräte seien ordnungsgemäß aufgestellt worden.

Es hat viel Korrespondenz gegeben

Jetzt wird laut Stadtrat Schmitt genau geprüft, „was da schief gelaufen ist“. Klar sei: Es hat viel Korrespondenz gegeben, auch mit der FSG. Dann war der vorläufige Versicherungsschutz am 1. April erloschen. Und keiner habe laut „Hilfe, wir haben ein Problem gerufen“, wie es ein Insider formulierte. Das Ende vom Lied: In „einer Verkettung unglücklicher Umstände“ kam es zum Brand. Und neben der Aufklärung, was verwaltungsintern gelaufen ist, gilt es jetzt, den Schaden für die Stadt so gering wie möglich zu halten. Christopher Schmitt kündigte eine schriftliche Vorlage zum Fall Traglufthalle zur Sitzung des Ausschusses für Soziales und Arbeit am 15. Juni an. „Dass die Politik Aufklärung verlangt, ist richtig.“

Vermieterin Paranet ist nach Worten von Raphael Hock, Assistent der Geschäftsführung, bemüht, mit der Stadt ein einvernehmliches Ergebnis zu erzielen. Wörtlich meinte Hock gestern: „Ich bin zuversichtlich, dass wir eine gute Lösung finden.“ Auch für den Mietvertrag, der bis Februar 2017 geschlossen wurde. Nachdem das Mietobjekt – B1 zertifiziert und schwer entflammbar – abgebrannt ist, stehen allein dafür rund 750 .000 Euro im Raum, die Paranet entgehen würden.

„Es hat geknallt und schnell gebrannt“ 

Als die Traglufthalle in Brand geriet, da kickerten Hammoud (23), Salem und Mohamed (beide 21) gerade im Inneren. Sie hätten einen Knall und eine große Flamme in einer unbewohnten Parzellen gesehen, erzählen die drei Cousins auf arabisch. Den Auslöser für das Feuer kennen sie nicht – so schnell aber wie die Flammen sich ausbreiteten, glauben sie, war es kein Zufall. . .

Die drei kommen aus der nordsyrischen Stadt al-Hasaka, haben dort alle im ersten Jahr studiert. Sie sind seit sieben Monaten in Deutschland, ihr Asylverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Deswegen auch wollen sie ihre kompletten Namen und ein Foto nicht in der Zeitung sehen – „weil wir Angst haben, dass wir dann Ärger mit dem Ausländeramt bekommen“.

Das Allerwichtigste haben sie verloren

Nach dem Brand sind die Hallenbewohner in andere städtische Unterkünfte umgesiedelt worden – die Drei leben nun in einem Haus an der Ückendorfer Straße.

Bei dem Brand, sagt Hammoud, hätten viele alles verloren – die wenige Kleidung und das Allerwichtigste: ihr Handy und die Büma. Das ist die Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender, das vorläufige Aufenthaltspapier also. Kleidung haben diverse Initiativen sehr schnell an die Brandopfer verteilt – die jedoch sei alt und unbrauchbar gewesen, übersetzt der Dolmetscher.

Neue Handys hätten sie bekommen – von Bekannten oder dem Deutschen Roten Kreuz. Bislang, ergänzt Salem, hätte aber kaum jemand eine neue Büma erhalten, man vertröste sie Tag um Tag. Laut Stadtsprecher Oliver Schäfer seien alle Aufenthaltspapiere erneut beantragt worden – und seien unterwegs zu den Flüchtlingen.

Sachbearbeiter-Pingpong? – Ein Kommentar von Inge Ansahl 

Wenn der Verwaltungsvorstand nichts davon wusste, wenn Referatsleiter nicht eingeweiht waren, dann bleibt eigentlich nur noch eine Möglichkeit: In den Reihen der Sachbearbeiter dreier Dienststellen wurde Pingpong gespielt. Aber: Wenn die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut – oder die rechte Hand glaubt, die linke wird’s schon richten ... Dann kommt am Ende dabei nichts Gutes raus. Zwischen dem 1. April und dem 9. Mai war die Traglufthalle nicht gegen Feuer versichert. Und niemand hat offenbar seinen zuständigen Referatsleiter informiert. Das pure Glück spielte den Beteiligten im Rathaus gottlob in die Karten: Beim Brand, dessen Ursache im übrigen auch noch nicht abschließend geklärt ist, wurde keiner der Flüchtlinge, die dort noch untergebracht waren, verletzt. Über dienstrechtliche Konsequenzen werden die Verwaltungsaufklärer dennoch nachdenken müssen.

Der Stadt spielt in die Karten, dass der Brand nicht dort ausgebrochen ist, wo Waschmaschinen und Trockner standen.