Gelsenkirchen. Susanne Neumann brachte SPD-Chef Gabriel am Montag in Berlin mit unangenehmen Fragen ins Schwitzen. Das machte die Gelsenkirchenerin über Nacht berühmt.

Sie brachte SPD-Chef Sigmar Gabriel richtig ins Schwitzen: Susanne Neumann, Putzfrau aus Gelsenkirchen, stellte bei der Eröffnung der „Gerechtigkeitskonferenz“ am Montag in der Berliner SPD-Parteizentrale unbequeme Fragen – und wurde damit über Nacht berühmt. Befristete Arbeitsverträge, Armut im Alter – das sind Themen, die der Gewerkschaftsfrau am Herzen liegen. Und das machte sie Sigmar Gabriel in schnoddriger Ruhrpott-Art auch deutlich. „Warum soll ich eine Partei wählen, die mir dat eingebrockt hat?“

Als Gabriel ihr erklärte, dass die SPD die Befristungen in Arbeitsverträgen wieder einschränken wolle, die Union aber nicht mitmache, wurde sie deutlich: „Warum bleibt ihr bei den Schwatten?“ Dafür gab’s Applaus aus dem Publikum im Willy-Brandt-Haus – und später auch im Internet. Diese offenen Worte machten die Gelsenkirchenerin berühmt.

Auch hier war Susanne Neumann dabei: Beim Prozess gegen das Dienstleistungsunternehmen Stölting demonstrierte die IG Bau vor dem Justizzentrum in Gelsenkirchen.
Auch hier war Susanne Neumann dabei: Beim Prozess gegen das Dienstleistungsunternehmen Stölting demonstrierte die IG Bau vor dem Justizzentrum in Gelsenkirchen. © Martin Möller

Seit ihrem Auftritt in Berlin, ist der Terminkalender der gebürtigen Gelsenkirchenerin voll. Dienstagabend: Talkshow-Auftritt bei Markus Lanz. Mittwochmorgen: Frühstücksfernsehen in Berlin. Und andauernd klingelt das Telefon. Die Redaktion erwischt die 57-Jährige am Dienstagmittag im Auto auf dem Weg nach Hamburg. „Das macht mir ein bisschen Angst“, sagt Susanne Neumann.

Susanne Neumann ist erst seit einer Woche SPD-Mitglied

Mit solch einer Resonanz habe sie nicht gerechnet. Seit ihrem Auftritt hätten sich auch viele Hilfesuchende bei ihr gemeldet, die trotz viel Arbeit nicht über die Runden kommen. Die Menschen vertrauen Susanne Neumann. „Dabei bin ich doch nur eine Putzfrau“, sagt die Bezirksvorsitzende der IG Bau Emscher-Lippe.

SPD-Mitglied ist sie seit gerade einmal einer Woche. Überzeugt hatte sie NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, mit der sie in der TV-Talkshow „Anne Will“ über gerechte Löhne stritt. „Wenn die SPD weg ist, haben wir ja überhaupt nichts mehr“, sagt Neumann. Trotzdem, so richtig zufrieden ist die Mutter von zwei Töchtern mit „ihrer“ Partei nicht. Hat sie doch selber schon viel Ungerechtigkeit erleben müssen. „Und die Politiker reden ja immer nur.“

Seit 34 Jahren arbeitet sie bei der Gelsenkirchener Reinigungsfirma Stölting. „Mein Chef wollte mich auch schon weg haben.“ Die Gängeleien im Beruf seien im Lauf der Jahre schlimmer geworden, befristete Arbeitsverträge eher die Regel als die Ausnahme. „Das muss auf den Tisch“, sagt die resolute Frau mit den kurzen Haaren. „Die kleinen Leute, die Arbeiter müssen vertreten werden. Einfach mal Tacheles reden!“

Die Gewerkschafterin ist hartnäckig

26 Jahre Gewerkschaft, sieben Jahre davon als ehrenamtliche Vorsitzende – Susanne Neumann ist kampferprobt – und sehr hartnäckig. Sie freut sich über die Aufmerksamkeit der Medien. „Dann kommt meine Botschaft ja vielleicht auch an.“

Mindestens genau so freut sie sich aber auf die Zeit, wenn mal wieder etwas Ruhe einkehrt. Dann kümmert Susanne Neumann sich nämlich gerne um ihren geliebten Fischteich in Gelsenkirchen-Horst, ihre zwei Katzen oder den 13-jährigen Enkel.

Vier-Augen-Gespräch mit Gabriel als die Kameras aus waren

Als die Kameras nach dem Kongress aus waren, erwischte Susanne Neumann den SPD-Chef noch für ein Vier-Augen-Gespräch. „Er war sehr ehrlich, hat gesagt dass die SPD sich ändern muss.“ Das stimmte die Gelsenkirchenerin zufrieden: „Mehr habe ich mir erstmal nicht erhofft.“

Übrigens: Über eine Parteikarriere in der SPD hat die Putzfrau noch nicht nachgedacht. „Dafür hatte ich bis jetzt gar keine Zeit“. Denn der nächste Termin wartet schon.