Gelsenkirchen. Zum Frühjahr prüft Gelsendienste die Standsicherheit von Grabsteinen. Grüne Aufkleber signaliseren Gefahr. Ein betroffener Steinmetz fürchtet nun um seinen Ruf.

Jahr für Jahr nach der Frostperiode steht die Kontrolle an: Dann gehen Gelsendienste-Mitarbeiter über die Friedhöfe, rütteln und drücken die Grabsteine. Die Standsicherheit wird überprüft, getestet, ob Frost oder der Zahn der Zeit nicht etwa Folgen hinterlassen und Gefahren verursacht haben.

An die 70.000 Gräber, schätzt Sabine Otthöfer, Abteilungsleiterin Stadtbildpflege bei Gelsendienste, werden allein auf den acht städtischen Anlagen geprüft. Mehr als fünf Prozent sollten die Steine nicht geneigt sein, 30 Kilo Druck bei 50 Zentimeter Höhe standhaft aushalten. In vielleicht zwei bis fünf Prozent der Fälle gibt es danach einen grünen Aufkleber am Stein „Vorsicht, Unfallgefahr! Grabstein steht lose. Der Nutzungsberechtigte der Grabstätte wird aufgefordert, den Stein unverzüglich befestigen zu lassen“, lautet die unmissverständliche Borschaft der Friedhofsverwaltung, die damit ihrer Verkehrssicherungspflicht nachkommt.

In den letzten Jahren traf es auch Steine, die Steinmetz Dirk Rolke (49) aufgestellt hat. Gleich fünf Aufkleber monierten zuletzt wieder die Sicherheit an 55 Zentimeter hohen Stelen aus Himalaya-Granit, die er auf dem Gemeinschaftsgrab aufgestellt hat, das der Friedhofsgärtner Queens auf dem Westfriedhof angelegt hat. Urnen- und Erdgräber sind hier vereint. Den Nutzern wird 25-jährige Pflege in der einheitlich gestalteten Anlage geboten. „Die Standfestigkeit wird bemängelt“, ärgert sich Rolke und sieht seinen Ruf gefährdet. „Wenn die Angehörigen immer wieder die Aufkleber sehen, denken sie doch, da hat der Steinmetz seine Arbeit nicht richtig gemacht.“ Aber, so Rolke, seine Steine stünden nicht lose, sie haben sich nicht vom Fundament oder Sockel gelöst, sie „vibrierten“ in der Erde. Doch umstürzen könnten sie nicht. „Die Standsicherheit ist definitiv gewährleistet. Das kann so nicht weitergehen.“

Unfallquellen ausschließen

In sechster Generation ist Rolke Steinmetz mit eigenem Betrieb am Westfriedhof in Heßler, seit 1994 ist er Meister. Für ihn gibt es bei der Bewertung „keine zwei Meinungen“ – was man Gelsendienste naturgemäß anders sieht. Von sachkundig geschulten Mitarbeitern werden die Kontrollen vollzogen. „Ob der Stein auf dem Sockel oder mit Fundament in der Erde lose ist“, mache dabei keinen Unterschied, so der Fachgruppenleiter Friedhöfe Pascal Sehr. „Wir wollen, dass die Steine komplett standfest sind“. „Es ist ja nur ein Warnhinweis. Der Laie kann die Gefahr nicht abschätzen. Es geht darum, Unfallquellen auszuschließen. Für uns ist der Nutzungsberechtigte der erste Ansprechpartner. In der Regel werden die Leute dann tätig“, sagt Otthöfer und betont: „Von uns wird keiner anders behandelt als die anderen. Es wird ohne Ansehen der Person kontrolliert.“

Dass ein Stück entfernt auf dem Westfriedhof Stelen auf einem anderen Gemeinschaftsfeld ebenfalls in der Erde wackeln, hat Rolke registriert. Gelsendienste offensichtlich nicht, zumindest sind dort keine grünen Warnaufkleber zu sehen. Hüben wie drüben sind sich die Experten am Ende einig: Es wird nachgebessert. Die Graberde rund um die Steine wird wieder verdichtet. Dann stehen sie wohl ohne Wackler.

Vorgeschriebenes Verfahren

Auf acht städtischen und elf kirchlichen Friedhöfen werden die Grabsteine von geschulten Kräften geprüft. Bei Mängeln gibt es den Warnaufkleber mit der Aufforderung, tätig zu werden. Im Extremfall lässt Gelsendienste die Grabsteine sichern und Gräber mit Flatterband absperren.

Nach rund vier Wochen erfolgt eine Nachkontrolle. Passiert nichts, folgen bis zu zwei schriftliche Aufforderung mit der Androhung von Ersatzmaßnahmen. Gelsendienste lässt dann – bisher war das nur in wenigen Einzelfällen nötig – die Arbeit ausführen und stellt sie in Rechnung.