Vor fünf Jahren erkrankte Doris Mundzeck-Knecht (56) an Brustkrebs. Heute ist sie "krebsfrei", wie sie es nennt."Gesund" sagt sie nicht. Denn da ist immer die Angst. Aber auch das Bewusstsein, was Leben ausmacht

Seit fünf Jahren lebt Doris Mundzeck-Knecht mit dem Krebs.
Seit fünf Jahren lebt Doris Mundzeck-Knecht mit dem Krebs. "Mein Mann hat immer zu mir gehalten", sagt die 56-Jährige. Und dass sich auch ihre Beziehung durch die Krankheit verändert habe. Foto: WAZ, Thomas Schild © WAZ

Sie war noch mitten in der Chemo: Da hat sich Doris Mundzeck-Knecht eine Auszeit genommen und ist mit ihrem Mann in die Berge gefahren. Wenige Wochen nach der Diagnose, nach zwei Operationen, in denen man ihr die linke Brust abgenommen hat, nach Tagen voller Schmerzen und schlaflosen Nächten saß sie da zwischen den Gipfeln auf einer Bank. "Wir haben nur geschaut. Nicht gesprochen, nur geschaut."

Glück ist gar nicht mal so selten, Glück wird überall beschert, Vieles kann als Glück uns gelten, was das Leben uns so lehrt.

Es ist eine dieser Geschichten, nach denen man sich anders anfühlt. Und wenn die Frau, die heute gar nicht krank aussieht, mit frischer Gesichtsfarbe, einem klaren Blick und lebendigen Gesten anfängt zu erzählen, dann wird auch sie ein bisschen anders. Ein bisschen wieder die, die sie vor der Krankheit war. "Der Krebs hat mich viel gelehrt. In gewisser Weise bin ich ihm dankbar."

Glück ist jeder neue Morgen, Glück ist bunte Blumenpracht, Glück sind Tage ohne Sorgen, Glück ist, wenn man fröhlich lacht.

Der Krebs, der praktisch über Nacht kam. Ein kleiner Knoten, den die agile Sekretärin immer dann ertastete, wenn sie verreisen wollte. Er kam und ging. "Ich bin zu jeder Vorsorgeuntersuchung gelaufen, meine Ärzte haben ihn erst gar nicht gefunden, und auf der Mammographie war nichts zu sehen." Bis er schließlich größer wurde, ganz plötzlich. "Ich hatte das Glück, dass mein Gynäkologe mich sofort zu einem Fachmann geschickt hat." Ein Freitagabend im einem Krankenhaus in Herne: "Ich war so zuversichtlich. Alle hatten ja vorher gesagt, da wäre nichts, ich bräuchte mich nicht zu sorgen. Ich habe zu Hause noch die Gardinen aufgehängt." Krebs. Ein sehr schnell wachsender Tumor. Operation Montag.

Glück ist Regen, wenn es heiß ist, Glück ist Sonne nach dem Guß, Glück ist, wenn ein Kind ein Eis ißt, Glück ist auch ein lieber Gruß.

Die Vorbereitungen wurden gleich vor Ort getroffen. "Ich musste mich ausziehen und wurde angezeichnet. Damit man meine Brust nachher rekonstruieren könne, sagte der Arzt." Die Schnitte, die Narben - mit einem Filzstift aufgemalt. "Da habe ich das erste Mal begriffen, was das heißt: Brustkrebs." Dann das Wochenende, ihr 51. Geburtstag, die Freunde, die sie auslud, die Anrufe, die sie nicht annahm. "Ich dachte nur immer: Soll es das jetzt gewesen sein? Ich hatte doch noch so viel vor."

Glück ist Wärme, wenn es kalt ist, Glück ist weißer Meeresstrand, Glück ist Ruhe, die im Wald ist, Glück ist eines Freundes Hand.

Nach der Operation, die gut verlief, die Hiobsbotschaft: weitere Vorstufen von Krebs in der Brust. "Ich wollte ihn loswerden, ich habe mich von meiner Brust verabschiedet." Eine zweite OP. "Ich konnte mich nicht im Spiegel anschauen." Und das Sich-Gewöhnen an die Prothese.

Glück ist eine stille Stunde, Glück ist auch ein gutes Buch, Glück ist Spaß in froher Runde, Glück ist freundlicher Besuch.

Neben den körperlichen Beschwerden - Knochenschmerzen, Übelkeit, Fieberattacken, die die Chemotherapie mit sich brachte, immer auch die seelischen Qualen. Habe ich die Krankheit besiegt? Komme ich mit meinem neuen Körper zurecht? Was für eine Frau bin ich jetzt noch? "Am Anfang war mein Selbstbewußtsein angeschlagen. Dann, als ich stabiler wurde, kam das Loch. Ich habe eine Gesprächstherapie besucht, anderthalb Jahre lang. Heute kann ich erzählen, ich bin krebsfrei. Ich bin ein anderer Mensch. Heute passe ich viel besser auf mich auf." Gesund? Das Wort gebraucht sie nicht. Es wäre zu kostbar.

Glück ist niemals ortsgebunden, Glück kennt keine Jahreszeit, Glück hat immer den gefunden, der sich seines Lebens freut. (Clemens von Brentano)