Gelsenkirchen. Der Heimatbund zeichnet Hans Rotterdams Leben nach. Er war Bäckermeister und wurde zunächst als „Aushilfsangestellter“ zum Auge der Stadt.
Der Parlamentarische Abend im Schloss Berge lieferte zwischen Tanz und Bankett den festlichen Rahmen für eine Film-Premiere. Der Titel des Streifens versprach nur bedingt Spannung: Er zeigt Ausschnitte aus der „Arbeit des Rates und der Verwaltung 1951-1952“. Schwarz-weiß natürlich, 59,47 Minuten lang, noch ohne Ton, eingefangen mit einem „16-MillimeterFilmgerät“ von Siemens durch Hans Rotterdam.
Der Film-Auftakt 1952 begründete eine Reihe, die bis 1996 Bestand hatte. 34 Stadtfilme entstanden in dieser Zeit – und ihr Erfinder war: Hans Rotterdam, erster Fotograf und später eben auch Filmer in städtischen Diensten und beschäftigt im Ressort „Werbung der Stadt für Gewerbe, Handel und Industrie“ – was durchaus auch das Spektrum seiner bis 1965 fälligen Foto- und Filmarbeit umreißt. Hans Rotterdam wurde das „Auge“, der Chronist Gelsenkirchens in den Wirtschaftsboom-, den Kohle- und Stahl-Jahren. Der Heimatbund Gelsenkirchen widmet ihm aktuell sein siebtes Heft. Hans-Joachim Koenen hat sich auf Spurensuche begeben und – auch mit Hilfe von Rotterdams Sohn Ulrich – das Leben und Wirken des Stadtfilmers nachgezeichnet. Bei dem Thema war klar: An Bildern mangelte es nicht. 407 Negativkarteien mit über 15 000 Negativen hat Rotterdam allein aus seiner Zeit als Stadt-Bildner hinterlassen. Sie wurden mit ehrenamtlicher Hilfe für das Institut für Stadtgeschichte digitalisiert. Mit Hilfe der Internetplattform „Gelsenkirchener Geschichten“ konnten bislang immerhin 1000 Bildmotive erschlossen werden.
Der Autodidakt holt sich das Rüstzeug an einer Fachhochschule
Johannes „Hans“ Rotterdam war ein Tüftler, ein Bastler, der Paddelboote für seine vier Kinder, Wohnwagen oder auch ein Wochenendhaus am Halterner See baute. Filmisch war er ein Autodidakt, der sich 1954 an einer Fachschule in Köln das nötige Rüstzeug für seine Arbeit holte. Da stand er längst in Diensten der Stadt. 1947 hatte er sich erstmals vergeblich beworben, 1948 war er dann am Ziel, als „Aushilfsangestellter mit 6-monatiger Probezeit.“
Geboren wurde Hans Rotterdam am 26. November 1899 (gestorben 1978) als ältestes von zwölf Kindern. Die Eltern, Johann und Regine Rotterdam, betrieben einen Laden mit angrenzenden Backbetrieb an der Rotthauser Straße 48 (heute Küppersbuschstraße 54). Das Auskommen war so karg, dass der Vater nach der Arbeit in der Backstube noch bei Küppersbusch eine weiter Schicht einlegte. Dennoch: Sohn Hans, hochbegabt und fürs Gymnasium empfohlen, sollte eine Bäckerlehre machen. 1917 hatte er die absolviert, 1927 bestand er die Meisterprüfung. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte der Betrieb die Rotterdam-Familien nicht mehr ernähren – und Rotterdam startet aus der Not heraus mit 48 seine Zweitkarriere.
Schwindelerregend hoch an der Turmspitze der Propsteikirche
Vom (Wieder)-Aufbau der Stadt und dem Leben in Gelsenkirchen zeugen Hans Rotterdams Filme und Fotos. Ob Siedlungsbau in Hassel, die Westerholter Kinderklinik, der Ausbau des Rathauses Buer oder das sportliche Geschehen in der Glückauf-Kampfbahn: Rotterdam hält es fest, oft hautnah und obenauf. Bilder zeigen ihn in Hubschraubern, auf Drehleitern oder schwindelerregend hoch an der Turmspitze der Propsteikirche. Als Bernhard Wicki 1960 „Das Wunder des Malachias“ mit der jungen Senta Berger, Günter Strack und Günter Pfitzmann in Gelsenkirchen dreht, ist Hans Rotterdam an den Schauplätzen und bis zur Premiere im Apollo-Theater dabei.
Rotterdam, Katholik und CDU-Mitglied im Ortsverband Feldmark, treibt schon früh die Reiselust. 1924 zieht es ihn – zu Fuß über die Alpen – bis nach Rom. Als Ruheständler zog es ihn mit seinem VW-Käfer und dem auf dem Balkon und im Trockenraum selbstgebauten Wohnwagen „Fahrtwind 2“ zusammen mit seiner Frau Elisabeth in die Schweiz, nach Spanien, Frankreich und Portugal.