Gelsenkirchen. Nach dem Rücktritt des ehemaligen ADAC-Präsidenten Reimer rechnet der Club erst Mitte 2016 mit belastbaren Ergebnissen. Dafür redet jetzt Architekt Christian Schramm.

Im Juli 2015 trat der Gelsenkirchener ADAC-Funktionär Klaus-Peter Reimer als Club-Vorsitzender in Westfalen und Schatzmeister des Bundesvereins zurück. Nach Vorwürfen, Bauaufträge nicht korrekt vergeben zu haben, zog der damals 62-Jährige ehemalige Finanzbeamte die Konsequenzen. Involviert: Christian Schramm, Reimers Freund, Architekt aus Buer. Er war in die Vor-Planung für zwei Projekte eingebunden, die der ADAC als Investor betrieb – einen Geschäftsstellen-Neubau samt Wohnungen in Hagen sowie die bauliche Runderneuerung des Fina-Parkhauses an der Sellhorststraße. In der Altstadt sollte die Deutsche Bank als Ankermieter einziehen, zudem waren auch hier Wohnflächen und ein Parkhaus geplant.

Das Projekt ruht seit Mitte 2015. Ebenso lange gilt die Zusage des Automobilclubs, die Hintergründe aufzuklären. Nach dem Affärenjahr 2014 mit groben Schummeleien beim Autopreis "Gelber Engel" hatte sich der ADAC neue Regeln zum ethisch einwandfreien Wirtschaften auferlegt und auch im Fall Reimer Aufklärungswillen betont. Das dauert. „Es gibt noch keine abschließende Beurteilung und noch keine zu publizierenden Ergebnisse“, sagt ADAC-Sprecher Dr. Peter Meintz. Dafür redet jetzt Schramm.

Kritik an einem Deal unter Freunden bei zwei Bauprojekten

Schramm, als Architekt in der gesamten Region erfolgreich aktiv und gut vernetzt, ist ein Mensch, der Klartext mag. Monatelang hatte er sich Zurückhaltung auferlegt nach der ADAC-Affäre um Klaus-Peter Reimer. Nun will Schramm einiges klar stellen. Vor allem aber will er den Vorwurf ausräumen, er habe von seiner Freundschaft zu Reimer profitiert, habe mit ihm einen Deal unter Freunden bei Bauprojekten in Hagen und in der Gelsenkirchener Altstadt – angeblich in Höhe von 15 Millionen Euro – abgeschlossen. So wurde es bundesweit kolportiert. Darüber, hieß es, sei der mächtige ADAC-Funktionär gestolpert.

Für Schramm ist das „aus der Luft gegriffen, das hatte nichts mit einer Bevorzugung unseres Büros zu tun“. Wenn, vermutet er, hätten Reimer interne Querelen beim ADAC in Zusammenhang mit Personalentscheidungen zermürbt. Für Hagen habe er als Architekt den Planungsauftrag vom ADAC Westfalen für öffentlich geförderte Wohnungen und eine Geschäftsstelle bekommen. „Dort waren wir schon im vollen Gange“ und haben jetzt (mit Datum vom 21. Januar 2016) ein Schreiben vom ADAC vorliegen, dass das Bauvorhaben nun kurzfristig realisiert werden soll“ und das Büro Schramm dafür die „entsprechenden Voraussetzungen“ schaffen solle. Bei der Sellhorststraße 6-10 sei er dagegen mit einem Projekt, an dem er schon seit knapp sechs Jahren für die Contipark Continentale Parkgaragen GmbH in Berlin arbeite, an den ADAC herangetreten.

Keine Stellungnahme von Deutscher Bank und Klaus-Peter Reimer

„Die suchten ein Renditeobjekt“ und er, Schramm, habe es angedient und auch Reimer damals klar gemacht: „Ich habe da eventuell was, das könntet ihr machen.“ Der Architektenvertrag sei am 13. März 2015 unterschrieben worden, zu einem Honorar-Mindestsatz – was sich Schramm mittlerweile gutachterlich hat bestätigen lassen. Für ihn war das ein „völlig sauberes Verfahren“ und die „Vorwürfe, die uns daraus gemacht wurden, sind absurd“.

Reimer nimmt zu all dem keine Stellung: „Dazu kann ich nichts sagen. Ich bin nicht in die Aufklärung eingebunden. Ich bin seit Juli raus und kenne den Stand der Dinge nicht“, erklärt er auf WAZ-Anfrage. Auch bei seinem Landesclub gibt man sich zurückhaltend: Gutachter und Wirtschaftsprüfer seien eingeschaltet worden, auch um zu klären, ob dem ADAC durch Reimers Verhalten wirtschaftlicher Schaden entstanden sei und ob ihm überhaupt Fehlverhalten zur Last gelegt werden könne. Vorzeigbare Ergebnisse? Bisher keine.

„Mit einem Abschlussbericht ist wohl erst bis Mitte 2016 zu rechnen“, sagt ADAC-Sprecher Dr. Peter Meintz. Seit Mai 2015 verfolgt der ADAC eine einheitliche „Compliance“-Richtlinie zur Sicherstellung regelkonformen Verhaltens in der gesamten Club-Organisation, zum Oktober 2015 wurde eine entsprechende Gesellschaft gegründet. Die habe die Arbeit ja erst aufgenommen, erklärt Meintz.

Beim Projekt in Gelsenkirchen an der Sellhorstraße war der ADAC als Investor und die Deutsche Bank als Ankermieter für ein Wohn- und Geschäftshaus mit Parkhaus vorgesehen. Der Bauantrag war gestellt, der Antrag auf Abriss des bisherigen Fina-Parkhauses eingereicht. Das Verfahren ruht, die Anträge wurden offiziell zurückgezogen. „Es war auf einem guten Weg. Aber genehmigt war noch nichts. Offiziell sind wir dort wieder bei null“, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann. Die Deutsche Bank hat sich offenbar zurückgezogen, ein Pressesprecher des Unternehmens mag sich aber „zur Zeit nicht zum Stand des Verfahrens äußern“.

Stellungnahme von Jones Lang LaSalle (JLL) zur Auftragsvergabe

Natürlich, sagt Architekt Christian Schramm, kenne er Klaus-Peter Reimer von Kindheit an, sei auch mit ihm bei Oldtimer-Veranstaltungen gefahren und teile das Hobby. „Aber wir haben früher nie für den ADAC gearbeitet. Als Vizepräsident der Architektenkammer NRW“ habe er private und berufliche Dinge „akribisch getrennt. Es kann doch nicht sein, dass es ein Problem ist, weil man sich kannte.“

Für die Sellhorststraße hat Schramm die Freigabe, „dass ich mit anderen Investoren sprechen kann“ und sieht nach wie vor viel Potenzial für den Standort. Für den ADAC, vermutet er, war es wohl eine Frage der Wirtschaftlichkeitsberechnung, aus diesem Projekt auszusteigen – und nicht etwa allein der Kumpaneivorwurf.

Den kann Schramm aus seiner Sicht auch mit einer Stellungnahme von Jones Lang LaSalle (JLL) entkräften. Der international agierende Investment-Dienstleister begleitete im Auftrag der Deutschen Bank seit Anfang 2012 das Vorhaben in der Altstadt. Im August 2015 bestätigte ihm JLL, dass „die kritischen Aussagen bzgl. der Auftragsvergabe durch den ADAC an Ihr Büro nicht den tatsächlichen Sachverhalt wiedergeben“. Die Deutsche Bank habe ein „erhebliches Interesse an der Realisierung des Standorts gehabt, Mitte 2014, „als sich der ADAC als Investor für das Projekt interessierte“, seien die Mietmodalitäten bereits vertraglich festgelegt worden. Die Kritik sei „daher obsolet, da das Projekt als konditionell endverhandelte Investitionsmaßnahme übernommen wurde und die diesbezügliche Projektierung schon vorab“ durch das Büro Schramm erfolgt sei.