Gelsenkirchen. Das Ruhrbistum Essen eröffnet in Gelsenkirchen den ersten Klettergarten in einem Gotteshaus: eine ganz neue Glaubenserfahrung.

Christian Vahle hängt in den Seilen. Eines, das führt nach oben und ist befestigt an einem Gerüst, das andere reicht zum Boden, etwa drei, vier Meter. Das dicke Ende hält Lothar Jekel fest in der Hand. Wir sind in der Liebfrauenkirche. Einem großen Gotteshaus in der Neustadt. Wir sind in einem Hochseilklettergarten. Und wenn sich Christian, der 19-jährige Zivi der Gemeinde, gleich aus den luftigen Höhen der Kirchenkuppel abgeseilt haben wird, wird er auf die Frage „Was heißt eigentlich Vertrauen?” anders antworten als noch vor einer Stunde.

„Wir turnen in höchsten / Höhen herum, selbstredend und selbstreimend, / von einem Individuum / aus nichts als Worten / träumend”

Erstmal muss Christian Luft holen. Körperlich anstrengend sei die Kletterei. „Ziemlich”, meint der sportliche junge Mann, der mit seinem karierten Hemd und den Seilen und Schnüren um den Leib tatsächlich aussieht, als sei er gerade der Bergwelt entsprungen. „Vor allem aber ist der Geist gefordert!” Wie meint er das, der Turner aus der Höhe? „Du musst erstmal deinen Verstand ausschalten, um deine Angst zu überwinden. Und dann spürst du deine Grenzen. Da oben auf den wackeligen Balken ist man erst mal allein mit seinen Grenzen. Und du fragst dich: Schaffe ich das überhaupt?”

„Was uns bewegt? Warum? Wozu? / Den Teppich zu verlassen? / Ein nie erforschtes Who-is-who im Sturzflug zu erfassen.”

Aber man ist auch nicht allein. Denn der Hochseilklettergarten, der jetzt als Pilotprojekt des Bistums Essen erstmals in einem Gotteshaus eröffnet und noch bis 2010 durch mehrere Kirchen des Bistums zieht, funktioniert nach dem Prinzip „Halten und gehalten werden”. „Zu jedem, der da oben klettert, gehört einer am Boden, der ihn an Seilen sichert”, sagt Jugendreferent Lothar Jeckel. Wo wir beim Vertrauen wären. „Du musst vertrauen, sonst schaffst du es nicht”, sagt Christian. Wo wir bei Gott und dem Glauben wären. „Die Erfahrung, die man beim Klettern macht, hat ganz viel mit Gotteserfahrung zu tun”, erklärt Initiator Peter Huyeng, Geschäftsführer der Katholischen Kinder- und Jugendarbeit gGmbH (KKJA). Womit sich dann eigentlich auch die Frage erübrigt, was ein Hochseilklettergarten ausgerechnet in einer Kirche zu suchen hat. „Wir müssen mehr junge Menschen in die Kirche locken. Ihnen andere Angebote machen, Spiritualität zu erfahren.” Natürlich gebe es Widerstand. „Aber wir versuchen, den Gläubigen zu erklären, dass wir diesen Weg gehen müssen.”

„Ich spiel mit meinem / Astralleib Klavier, vierfüßig, / vierzigzehig. / Ganz unten am Boden gelten wir für nicht mehr ganz / zurechnungsfähig.” (Peter Rühmkorf)

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