Gelsenkirchen. . Achim Wagner schuf ein stählernes Kunstwerk, das an die Stadtgeschichte Gelsenkirchens erinnern soll. „Antons Wunderlampe aus tausend und einem Schacht“. 63-Jähriger arbeitete einst beim Schalker Verein.

Zahlreiche Skulpturen schmücken den Garten des Gelsenkirchener Künstlers Achim Wagner in Bulmke. Sie verwandeln die eher triste winterliche Kulisse in eine stets blühende Kulturlandschaft. Jetzt hat der 63Jährige ein Kunstwerk geschaffen, mit dem er seine Verbundenheit mit der Geschichte der Stadt ausdrücken will. Er verbindet Arbeit und Wohngewohnheiten der Bürger. Im Innenleben einer 70 cm hohen stählernen Grubenlampe hat er ein Zimmer eingerichtet ganz nach dem Eindruck des Gelsenkirchener Barocks. „Antons Wunderlampe aus tausend und einem Schacht“ hat er sein Werk getauft. Auf dem zweifarbigen Nierentisch steht die Flasche Glückauf-Bier mit Bügelverschluss, eingerahmt von der dreistrahligen Stehlampe, dem lila farbenen Cocktailsessel und dem Küchenbuffet. Aus Balserholz schnitzte er das klassische Zimmer, so wie es in den 50er Jahren in vielen Haushalten ähnlich eingerichtet war. „Es gibt nichts, wofür wir uns schämen müssen, auch wenn selbst ernannte Kunstexperten damals abschätzend über den Gelsenkirchener Barock urteilten“, sagt Wagner.

Typisches Wohnmuster

Der 63Jährige hat über 40 Jahre beim Schalker Verein gearbeitet, kennt die Lebensgewohnheiten der Generation. Die Ausstattung in der möblierten Grubenlampe sieht er als typisches Wohnmuster parallel zur Lebenssituation in den 50er Jahren. Wagner: „Die hart im Bergbau oder in der Stahlindustrie arbeitenden Menschen waren glücklich, sich möglichst wuchtige Möbel leisten und als repräsentative Schmuckstücke der damaligen Zeit in die Wohnung stellen zu können.“ Beispiele für den Gelsenkirchener Barock eben. „Es ist Teil der Geschichte meiner Stadt“, sagt der Künstler. Möbelfabrikanten aus Ostwestfalen hätten in der Zeit eigens ihre Schauwagen in die Wohnbereiche gefahren, um ihre Möbelstücke anzupreisen. Die Faszination der Nachkriegsmöbel in der Bergbaustadt beschäftigte vor allem Forscher außerhalb des Ruhrgebiets. So ist 1956 sogar eine wissenschaftliche Abhandlung über den Gelsenkirchener Barock verfasst worden. In der Stadt, die als Namensgeber für eine Epoche herhielt, landeten die meisten Stücke auf dem Sperrmüll. Heute, glaubt Wagner, seien die Zeugen der damaligen Wohnkultur als Raritäten nur noch in touristischen Zentren oder auf Nostalgiemessen zu finden.

Der ehemalige Thyssen-Schlosser Achim Wagner hat ein seinem Garten einige seiner selbst gefertigten Stahlskulpturen aufgestellt. Hier die stählerne Skulptur „Verhaltet Euch ruhig“.
Der ehemalige Thyssen-Schlosser Achim Wagner hat ein seinem Garten einige seiner selbst gefertigten Stahlskulpturen aufgestellt. Hier die stählerne Skulptur „Verhaltet Euch ruhig“. © Funke Foto Services

Seine Grubenlampe wird demnächst in Erkrath ausgestellt. Der Förderkreis Kunst und Kultur war angetan von dem außergewöhnlichen Zeitzeugnis. Einen Traum lebt der Künstler weiter. Er wünscht sich eine drei Meter hohe Grubenlampe, die an exponierter Stelle in Gelsenkirchen aufgestellt werden und die Bergbaugeschichte verdeutlichen könnte. Gedanklich hat er sich längst an die Arbeit gemacht.

Politik mit Nagel im Kopf

Ein weiteres Kunstwerk sieht Achim Wagner als Hommage an Heinrich Heine. Der hatte 1844 in seinem letzten Gedicht aus dem Zyklus Zeitgedichte in seinen Nachtgedanken den berühmten Eingangsvers geschrieben „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“ Während seines Pariser Exils hatte sich der Dichter unter anderem kritisch mit der politischen Situation in seiner Heimat auseinandergesetzt. Der Widerstand der Menschen gegen das repressive System und die Kleinstaaterei hatte zugenommen. So soll in Wagners stählerner Skulptur Unterdrückung, Duckmäusertum und „Mund halten“ zum Ausdruck kommen. Das Kunstwerk nennt er „Verhaltet Euch ruhig“. Ein Nagel durchbohrt den Schädel, während der Mund mit einem Schloss zum Schweigen verurteilt ist. Das Werk als Symbol für die Bevormundung der Gesellschaft hat der Künstler in seinem Garten aufgestellt.