Gelsenkirchen. . Welchen Wert hat die Kultur in unserer Gesellschaft? Dieser Frage widmete sich Oberbürgermeister Frank Baranowski beim Jahresempfang 2016 im MiR

Welchen Wert hat die Kultur in unserer Gesellschaft? Unter diesem Leitmotiv stand der Jahresempfang der Stadt Gelsenkirchen am Freitagabend im Musiktheater im Revier in diesem Jahr.

Dabei waren mit „Kultur“ allerdings nicht nur Oper, Ballett, Theater und Malerei gemeint: Oberbürgermeister Frank Baranowski lenkte in seiner Rede vor den 799 geladenen Gästen aus allen Bereichen der Stadtgesellschaft den Blickpunkt zunächst auf „Unternehmenskultur“ und auf die „Joblinge“, Auszubildende, die eine Initiative ergriffen haben, um nach einer abgebrochenen Ausbildung eine zweite Chance zu erhalten. Und er forderte Unternehmen auf, jungen Gelsenkirchenern die Chance auf einen Ausbildungsplatz oder ein Praktikum zu geben.

Die „Joblinge“ standen beim Jahresempfang 2016 thematisch im Mittelpunkt und trommelten für mehr Ausbildungs- und Praktikumsplätze.
Die „Joblinge“ standen beim Jahresempfang 2016 thematisch im Mittelpunkt und trommelten für mehr Ausbildungs- und Praktikumsplätze. © Funke Foto Services

Dann widmete sich der OB der Firmenkultur – mit Blick auf den heimlichen Sponsor (kleiner Tipp: Diese Aktiengesellschaft sorgt für Gas, Strom und Wasser in Gelsenkirchen) als Positivbeispiel und den unerwarteten Rückzug von Vaillant als negative Variante. „Eine eigene Kultur haben nicht nur Firmen. Auch Städte und Regionen haben so etwas, auch und gerade unsere Stadt. Selbst wenn sie fließend in andere Städte übergeht, selbst wenn sie sehr weltoffen ist und enorm vielfältig, mit ganz unterschiedlichen Vierteln und Menschen – so hat unsere Stadt doch ihre besondere Kultur. Das spüren wir alle. Irgendwas ist an ihr dran. Irgendwas macht das Leben und die Leute hier aus. Und das muss mit der Kultur zu tun haben“, so Baranowski, der ausdrücklich auch die Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen lobte: „Es hat mich stolz gemacht, weil da ein großartiges Selbstverständnis zum Ausdruck kam. Es kam zum Ausdruck, wie stark sich die Gelsenkirchener – unausgesprochen und ohne viel Aufheben darum zu machen – einer Kultur der Toleranz, der Solidarität und des Miteinanders verpflichtet fühlen. Einer Kultur der Solidarität und der Verantwortung, die nicht nur dem Nachbarn nebenan gilt, sondern ebenso Menschen, die aus Syrien und dem Irak, aus Eritrea oder Afghanistan vor Krieg und Gewalt fliehen müssen!“

Baranowski sprach aber auch Ereignisse wie die Terroranschläge von Paris und Istanbul und die Übergriffe in der Silvesternacht in Köln an, mahnte, dass diese entsprechend geahndet werden müssten, warnte aber zugleich vor Panikmache. Sein Credo: Willkommenskultur auch weiterhin groß zu schreiben und an der Integration der neuen Mitbürger mitzuarbeiten. „Die Zukunft unserer Städte und unserer Gesellschaft, die liegt ja – wenn Sie mich fragen – nicht so sehr in den Händen von Frau Merkel, oder meinetwegen der Herren Obama oder Junker oder anderer Spitzenpolitikern. Sie liegt bei uns. Bei Ihnen und mir. Eine funktionierende Stadtgesellschaft und Stadtkultur ist etwas, was wir selbst schaffen – und immer wieder neu schaffen müssen.“

Dieser Meinung schlossen sich auch Bridget Breiner, die Direktorin des Ballett im Revier, Pianist Michael Gees, Marc Grandmontagne als Geschäftsführer der Kulturpolitischen Gesellschaft und Florian Beisenbusch von Bang Bang Gelsen in einer anschließenden Kulturdiskussion mit Moderator Matthias Bongard (bekannt unter anderem von der WDR-Sendung Westart) an. Michael Gees und Florian Beisenbusch stellten dabei vor allem die Partizipation in den Mittelpunkt: „Für uns war es nach dem Abitur eine ganz gezielte Entscheidung, nicht nach Berlin oder an einen anderen Ort zu gehen, sondern hier in Gelsenkirchen zu bleiben – und jene Kultur, die wir gerne erleben möchten, hier zu etablieren“, sagte er im Hinblick auf die Initiative Bang Bang Gelsen. „Kultur vereint die Menschen hier vor Ort“, erklärte auch Michael Gees, während Marc Grandmontagne herausstellte: „Kultur hat auch immer etwas mit dem Fremden und der Begegnung und Auseinandersetzung mit kulturellen Unterschieden zu tun. In der Kulturpolitik muss es daher nicht nur um die Finanzierung von Theatern oder kulturellen Einrichtungen gehen, sondern auch um einen gesellschaftlichen Diskurs, um ein Streiten über die Werte in einer Gesellschaft.“

Und Bridget Breiner sagte: „Die Hochkultur hat oft diesen schlechten Ruf, dass sie nur für ganz wenige Menschen interessant ist. Deshalb würde ich mir mehr Offenheit wünschen. Auch ich konnte mit Fußballkultur etwa lange Zeit gar nichts anfangen. Doch dann habe ich mir die Regeln erklären lassen – und seither kann ich Fußballspiele richtig genießen.

Das MiR-Ensemble gewährte mit Ausschnitten aus der „Rocky Horror Show“ ein ganz praktisches Kulturerlebnis.
Das MiR-Ensemble gewährte mit Ausschnitten aus der „Rocky Horror Show“ ein ganz praktisches Kulturerlebnis. © Funke Foto Services

Eine ganz praktische Kulturerfahrung boten das MiR-Ensemble mit Ausschnitten aus der Rocky Horror Show und der Kabarettist Max Uthoff schließlich dem Publikum. Und natürlich kam auch die Genusskultur an diesem Abend nicht zu kurz: Im MiR-Foyer gab es unter anderem Hühnerbrustgeschnetzeltes an Waldpilzrahm, Wolfbarschfilet mit Salbeisauce und zum Nachtisch Birnen-Quitten-Mascarponecreme. . .