Gelsenkirchen. Die Bildungsgewerkschaft GEW beklagt, dass Lehrerstellen in Gelsenkirchen überproportional unbesetzt blieben. Die Stadt hätte einen schlechten Ruf.

Ein beunruhigendes bis bedrohliches Alltagsszenario an Gelsenkirchener Schulen zeichnet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Respektlosigkeit, Verbalattacken bis hin zur Gewalt gegen Mitschüler und Lehrkräfte haben sich verstetigt“, sagt Lothar Jacksteit , Vorsitzender der Gelsenkirchener Bildungsgewerkschaft. Betroffen seien alle Schulformen. Der Stadt eile dadurch ein schlechter Ruf voraus, was die Zukunftsaufgaben durch Inklusion, Zuwanderung und Flüchtlinge zusätzlich erschwere. Folge: „Lehrkräfte machen einen Bogen um Gelsenkirchen, Stellen bleiben unbesetzt.“

Jacksteit stützt seine Darstellung auf die Erfahrungsberichte seiner Lehrerkollegen und formuliert daraus eine Forderung an die Politik: „Der Stadt braucht eindeutig mehr Unterstützung durch das Land, insbesondere finanziell. Sonst wird aus dem Leitmotiv ‘Kein Kind zurücklassen’ das neue ,Jedes Kind zurücklassen’.“ Nachdruck verleiht der Gewerkschafter seiner Forderung mit Zahlen: Klassenstärken, die statt bei 22,5 Schülern durchschnittlich die 30er-Marke erreichen oder aber auch eine Burnout-Quote zuletzt in der Lehrerschaft von 57, 63 und mehr Prozent – je nach Schule und Ortsteil – das Ergebnis der Arbeitsverdichtung und des Lehrermangels.

Die Bezirksregierung Münster hat starke Zweifel an der Darstellung der GEW. „In Gelsenkirchen sind nicht wesentlich mehr Lehrerstellen unbesetzt als in anderen Städten“, sagt Sprecherin Sigrun Rittrich. Wobei Münster als überproportional beliebte Studien- und Arbeitsstätte herausfalle.

Offene Stellen: Quote bei 22 Prozent

Auch die Bezirksregierung lässt Zahlen sprechen. „Von aktuell 134 offenen Stellen für Lehrer sind 104 besetzt worden, die 30 unbesetzten Stellen entsprechen einer Quote von 22 Prozent.“ Bezirksweit seien von den 754 zu vergebenen Stellen 118 noch unbesetzt, gleichbedeutend mit 16 Prozent. Rittrich verwies zudem darauf, dass „zusätzlich 20 Mehrbedarfsstellen für die Integration und sprachliche Förderung Gelsenkirchener Schulen zugewiesen wurden“. Und darauf, dass von den zum 1. Februar frei gegebenen Stellen sich 33 noch im Ausschreibung beziehungsweise Besetzungsverfahren befänden.

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Gewalt und Respektlosigkeit an Schulen gegenüber Mitschülern und Lehrern stuft die Bezirksregierung Münster als „generelles Problem“ ein. Je nach Bildungsstand käme es zu Verbalattacken und Übergriffen. Und von überhöhten Ausfälle durch Krankheit und Überbelastung sei Regierungspräsident Prof. Dr. Rein­hard Klenke nichts zu Ohren gekommen, obwohl er „regelmäßig an Sitzungen der Lehrerpersonalräte teilnimmt“.

Achim Elvert, seit zwölf Jahren an der Gesamtschule Ückendorf tätig und seit dem 22. Dezember frisch ernannter Schulleiter, beschreibt die Situation in Gelsenkirchen ähnlich: „Diese Dramatik sehe ich nicht. Wir haben in diesem Schuljahr sieben neue Lehrer hinzu bekommen. Darunter auch solche, die ausdrücklich nach Gelsenkirchen wollten.“ Und was die Übergriffe beträfe, da müsse er lange überlegen. „2015 haben wir einen Schüler von der Schule verwiesen, weil er einen Mitschüler angegangen hat. Und es kommt auch vor, dass sich Schüler wie Eltern mal emotional mitreißen lassen. Aber eine Verstetigung von Gewalt sehe ich nicht. Dazu fehlt mir eine solide Datenbasis.“