Gelsenkirchen. Die ersten drei Klassen mit jeweils 20 Schülern aus Flüchtlingsfamilien werden kommenden Monat in die Regelklassen integriert. Ein guter Zeitpunkt für eine Sensibilisierung der Schüler.

Dieser besondere Unterricht ist freiwillig. 50 Schülerinnen und Schüler des Weiterbildungskollegs Abendrealschule (ARS) nehmen daran teil. Ihre Lehrer: Junge Studenten in ihrer Eigenschaft als Teamer des Flüchtlingsrats NRW.

„Natürlich wissen unsere Schüler, was Flüchtlinge sind. Aber sie wissen wenig über die Hintergründe der Flucht“, sagt Schulleiterin Mechthild Benter. Aktuell sieben, ab 1. Februar 10 IFÖ-Klassen – im Sprachgebrauch der ARS „Vorsemester mit erhöhtem Deutschbedarf“ – gibt es an der Schule. Die ersten drei Klassen mit jeweils 20 Schülern aus Flüchtlingsfamilien werden kommenden Monat in die Regelklassen integriert. Ein guter Zeitpunkt also für eine Sensibilisierung der Schüler, die demnächst unmittelbar mit Flüchtlingsschicksalen konfrontiert werden.

„Wir haben uns daher an den Flüchtlingsrat gewandt und auch mit den Schülern gesprochen“, so Benter. Die Resonanz war auf beiden Seiten positiv. Der Flüchtlingsrat schickte also am Dienstag fünf geschulte Teamer zum ARS-Standort Gesamtschule Ückendorf. Und in zwei Gruppen aufgeteilt stand das aktuelle Thema Flüchtlinge über Stunden im Fokus.

Eine ganz klare Herausforderung

Während ein Kurzfilm über die von Menschenrechtsorganisationen massiv kritisierte Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der EU-Mitgliedstaaten – kurz Frontex – die Aufmerksamkeit der Schüler in Marcus Boxlers Gruppe bindet, berichtet der 21-jährige Student der Medien- und Theaterwissenschaften, über seine Arbeit für den Flüchtlingsrat. „Das ist zunächst einmal ganz klar eine Herausforderung.“ Ja, auch hier sei es gleich zu Beginn um rechte Stammtischparolen gegangen. Und um das zentrale Thema Köln. Natürlich. „Aber im Verlauf des intensiven Austausches ist spürbar, dass die eher rechtslastigen Meinungsäußerungen immer stiller werden und der Einsicht weichen.“

Der Sensibilisierungsunterricht hat auch den Anspruch, Informationsdefizite zu beseitigen. Bei den Abendrealschülern war bis gestern etwa Eritrea als Herkunftsland vieler Flüchtlinge so gut wie kaum bekannt. Obwohl aus keinem Land Afrikas so viele Menschen wie aus Eritrea fliehen – allein 360 000 im Jahr 2014. Die Eritreer – sie fliehen vor Diktator Isayas Afewerki, der seit fast 25 Jahren an der Macht ist.

Boxler anerkennt diese Vorort-Arbeit des Flüchtlingsrates NRW. Die Mitarbeiter hätten im vergangenen Jahr Emails an die Universitäten des Landes geschrieben und interessierte Studenten für diese Arbeit an den Schulen gesucht. „Wir haben dann eine Teaamer-Ausbildung absolviert“, erzählt er. Ein Schwierigkeit sei, „aus dem universitären Slang raus zu kommen, wenn man mit Schülern spricht“.

Essen, das aber „voll ekelhaft ist“

Der Film über Frontex ist gelaufen. Vier Fragen sollen die SchülerInnen anschließend beantworten. Unter anderem diese: Welche Aufgaben Frontex hat und warum die Organisation kritisiert wird. Eine Schülerin hat der Film sichtlich beeindruckt. „Die sind einerseits gut und andererseits schlecht. Sie geben den Flüchtlingen Essen, das aber voll ekelhaft ist.“

Wenige Minuten später setzt sie noch eins drauf. Man spürt, dass die junge Frau betroffen ist: „Flüchtlinge sind doch keine Tiere, die man einfach einsperrt. Stell dir doch mal vor, du wirst einfach eingesperrt. Da würde ich lieber sterben, als so behandelt zu werden!“

Die 50 jungen Teilnehmer am freiwilligen Unterricht haben nach fünf Stunden sicher eine sensible Antenne für Flüchtlingsschicksale.