Gelsenkirchen.. WAZ stellt in einer Serie die Arbeit der Polizei Gelsenkirchen vor. Ein Blick hinter die Kulissen. Die Polizeibeamten in der Leitstelle arbeiten im Drei-Schichten-Betrieb.
110. Wer die Nummer wählt, kann sicher sein: Minuten später sind Beamte vor Ort. Doch hinter dem Notruf steckt viel mehr. Die Polizei ist ein komplexes System. Damit im Falle eines Falles schnell Hilfe da ist, muss jedes Rädchen dieses riesigen Apparates reibungslos in das andere greifen. Die WAZ hat hinter die Kulissen des Polizeipräsidiums Gelsenkirchen geschaut. Anhand eines realen Falles, (siehe die farbig unterlegte Polizeimeldung) erklären wir, was passiert, wenn die 110 gewählt wird.
Beginnen wollen wir mit der Leitstelle. Unter dem Dach am Rathausplatz in Buer thront sie – die Schaltzentrale der Polizei. Hier laufen alle Informationen zusammen, hier werden alle Aktionen koordiniert. In der Leitstelle arbeiten 24 Beamte im Drei-Schichten-Betrieb, in Teams wechseln sie sich ab. Ihr Dienst läuft von sechs bis 13 Uhr, von 13 bis 21 Uhr und von 21 Uhr wieder bis sechs Uhr. Einer von sechs Dienstgruppenleitern ist Dietmar Oldenbürger, seit 1978 in Uniform und seit nunmehr zwei Jahren im Dienst in der Leitstelle.
Breites Aufgabenspektrum bei der Polizei
„Unser Aufgabenspektrum ist breit“, erklärt Oldenbürger. „Es reicht von einer hilflosen Katze oben auf einem Baum über Einbrüche, Diebstähle und Unfälle bis hin zu Tötungsdelikten.“ Recherchen, die täglichen Lageberichte und die Bearbeitung und Bereitstellung von Objektdaten (von Schulen oder Banken bei Überfällen oder Amokläufen etwa) gehören ebenso zu den Aufgaben wie die Koordination der Kräfte, das Überwachen und Lenken des Funkverkehrs, das Auslösen einer großflächigen Ringalarm- oder einer Tatortnahbereichsfahndung. Wichtigstes Kommunikationsmittel dabei: der Digitalfunk. Allein diese Liste verdeutlich: Die Leitstelle ist eine Dienststelle mit wichtigen Führungsaufgaben; und weisungsbefugt.
An den PCs der Sachbearbeiter laufen zwölf Notrufleitungen zusammen. Annahme und Erstellen von Anzeigen gehören aber nicht zum Job der Mannschaft. Dafür ist allein schon die Dokumentationspflicht über die täglichen Einsätze zu groß. Anzeigen erledigen die Kollegen in den Wachen.
Koordination und Information
Sollten die Beamten mit Headsets an den PCs mal Zweifel an ihren Entscheidungen und Maßnahmen haben, „so würde ich mich als Dienstgruppenleiter einschalten“, beschreibt Dietmar Oldenbürger die Arbeit. Er könnte dann beispielsweise den im Szenario erwähnten Hubschrauber zur Luftunterstützung anfordern. Oder dafür sorgen, dass rechtzeitig auswärtige Kollegen informiert werden, sollte die Fahndung sich auf Nachbarstädte ausdehnen. „Die Kräfte“, sagt Oldenbürger, „müssen stets fix gebündelt werden.“
Zurück zu den Sachbearbeitern. Einer von ihnen ist Polizeihauptkommissar Michael Schneider. Seine Mitstreiter und er sind keine Polizisten, die frisch aus der Ausbildung kommen. „Meist sind es Beamte, die viele Jahre Erfahrung haben“, sagt Michael Schneider. Auch einige ehemalige Kriminalbeamte sind dabei, so wie er selbst. Erfahrung aus allen Bereichen der Polizei arbeitet hier also zusammen. Drei Bildschirme hat Schneider im Auge zu behalten. Dort werden die eingehenden Notrufe angezeigt und entgegengenommen. Die Nummern werden automatisch entschlüsselt, das System ist so voreingestellt – denn im Notfall muss es blitzschnell gehen. Verbunden ist der Beamte mit anderen Behörden, der Stadtverwaltung, den Taxizentralen oder auch den Schlüsseldiensten, um so schnell wie möglich an Informationen zu kommen, die Kollegen draußen auf der Straße im Einsatz helfen können.
Handyortung ist möglich
Auch Handyortungen sind möglich, allerdings nur auf Anweisung der Behördenleitung. Heißt: „Ein verloren gegangenes Handy wird nicht geortet“, erklärt Schneider, „obwohl Bürger da häufiger Suchanfragen an uns richten.“ Wohl aber wird eine Suche veranlasst, wenn Gefahr im Verzug ist, beispielsweise bei einem möglichen Selbstmord. „Gefahr für Leib und Leben“ wie es das Amtsdeutsch beschreibt.
Wieder bei Dietmar Oldenbürger. „Das System zeigt mir auch an“, sagt er, „welche freien Streifenbesatzungen gerade in der Nähe sind und sich um einen Einsatz kümmern können. Sachbearbeiter wie Michael Schneider weisen dann die Kollegen ein. Gibt es wie im Fallbeispiel eine erste Täterbeschreibung, so erfahren die Polizisten noch auf der Fahrt mit Blaulicht und Sirene zum Einsatzort die wichtigen Einzelheiten. Zugleich alarmiert Schneider den Hundeführer, damit er seinen Kollegen zur Hilfe kommt, um die flüchtigen Einbrecher zu stellen. Sechs Fahrzeuge mit mindestens zwei Polizisten an Bord hatten Oldenbürger und Co. koordiniert für den gemeldeten Einbruch – vier Streifen, dazu die Kripo-Beamten, die die Ermittlungen unterstützen, den Hundeführer mit Diensthund und die Besatzung des „fliegenden Auges“.
Spätestens jetzt drängt sich ein weiterer Vergleich auf. Dietmar Oldenbürger und sein Team von der Leitstelle sind einer Schar hochspezialisierter Fluglotsen nicht ganz unähnlich. Denn sie müssen einer Flut von Informationen und Einsätzen jederzeit Herr werden, schnell und richtig reagieren. Etwa 200 Einsätze laufen täglich so zusammen, im Jahr 2014 kam die Gelsenkirchener Polizeibehörde auf 72. 000 Einsätze. Im Bereich der Wache Nord waren es 28 .000, im Einzugsgebiet der Wache Süd 44 000.
Die Polizeimeldung zu dem Fall
Durch Hinweis eines aufmerksamen Nachbarn wurde die Polizei über zwei Personen informiert (24.01.2015 /19:42 Uhr), die unmmittelbar zuvor ein Fenster einer Doppelhaushälfte in Gelsenkirchen-Erle aufgehebelt hatten und hierüber einsteigen wollten. Noch mit Erscheinen des ersten Streifenwagens flüchteten diese Personen. Während eine Person (männlich, 24 Jahre) nach ca. 500 m Verfolgung zu Fuß eingeholt und gestellt werden konnte, flüchtete der zweite Täter in eine andere Richtung. Nach Befragungen von Passanten und Spurensuche im frischen Schnee konnte immer wieder der Fluchtweg weiterverfolgt und schließlich die Fahndung nach dem zweiten Täter bis in den Bereich Emscherbruch / Mülldeponie ausgedehnt werden.
Aufgrund der Nähe zur Stadtgrenze wurde auch die Polizei in Recklinghausen und Bochum beteiligt. Weiter wurde ein Hubschrauber zur Absuche des unübersichtlichen Areals eingesetzt. Der zweite Täter (männlich, 23 Jahre) konnte schließlich, nach über zwei Stunden Flucht und über mehrere Kilometer Strecke, in Gelsenkirchen-Resse erneut beobachtet und beim versuchten Überqueren der Autobahn A 2 schließlich gestellt und festgenommen werden. Beide Täter hatten bei den jeweiligen Festnahmen noch versucht sich ihrer Tatwerkzeuge zu entledigen (Schraubendreher), dieses konnte aber beobachtet werden und die Werkzeuge wurden beschlagnahmt. Die festgenommenen Täter werden einem Haftrichter vorgeführt.