Krefeld. Einbrecher dringen nachts in Tiergärten ein. Exotische Geschöpfe verschwinden in dunklen Kanälen. Sind die Tiere im Zoo noch sicher?
Aus Angst vor weiteren Beutezügen müssen die Zoos nach Ansicht ihres Bundesverbands die Sicherungen durch Wachdienste und Alarmanlagen weiter verbessern. "Die jüngste Serie ist so gravierend, dass die Zoos nachlegen werden", sagte Volker Homes, der Geschäftsführer des Verbandes der Zoologischen Gärten (VdZ) in Berlin. Auch die Sprecherin des Krefelder Zoos, Petra Schwinn rechnet mit einer Reaktion der Tierparks: "Wir müssen sehen, wie die Zoo-Gemeinschaft reagiert", sagte sie.
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Der Krefelder Zoo ist bereits zweimal von Dieben heimgesucht worden. In der Nacht zum Montag stahlen Unbekannte zwei seltene Hyazinth-Aras. Die kobaltblauen Papageien gehören zu den besonders geschützten Tierarten. Im Juni waren drei Goldene Löwenäffchen gestohlen worden. Es soll Hinweise über einen Verbleib der Tiere in Osteuropa geben.
Zoos überlegen, Detektive einzuschalten
Die nordrhein-westfälischen Zoos könnten sich angesichts der Serie von Tier-Diebstählen zusammenschließen und Detektive mit der Spurensuche beauftragen. "Es wäre möglich, dass wir zeitgleich zur Arbeit der Polizei die Initiative ergreifen und versuchen, eine Spur zu den Tätern zu finden", sagte Wolfgang Dreßen, Direktor des Krefelder Zoos, am Mittwoch. "Wir sprechen hier schließlich von einem gut organisierten und europaweiten illegalen Tierhandel."
Nach dem erneuten Diebstahl im Krefelder Zoo am Montag fehlt von den beiden geklauten Hyazinth-Aras noch jede Spur. "Die Tiere werden wir auch nicht zurückbekommen", sagte Dreßen. Er schließt nicht aus, dass die Papageien im Ausland "gewaschen" werden, dort also "saubere" Papiere für die Beute ausgestellt und die Vögel erneut auf dem Markt zum Kauf angeboten werden. Die Aras aus dem brasilianischen Regenwald gehören zu den besonders geschützten Tierarten. Im Sommer hatten Diebe bereits drei Goldene Löwenäffchen in Krefeld gestohlen.
Zoos machen sich generell kaum Hoffnung, die gestohlenen Tiere wiederzufinden. "Die Einbrecher kommen über die Grenze, sie können im Winter bereits am frühen Abend zuschlagen und sind dann sehr schnell wieder auf und davon", sagte Sabine Haas, die Sprecherin der Zoom Erlebniswelt Gelsenkirchen. "Das ist frustrierend."
Die meisten Tierdiebe schlagen in NRW zu
Entsetzt stehen die Tierpfleger vor den Gehegen und Volieren. Erneut haben Diebe zugeschlagen und wertvolle Äffchen gestohlen. Frage und Antworten zu den Spuren:
Krefeld, Reichshof, Dortmund - wieso häufen sich die Fälle so stark?
Die Ermittler und Zoos können nur mutmaßen: "Ich gehe davon aus, dass die Tiere gezielt und im Auftrag gestohlen werden", sagt Franz Böhmer, der Artenschutzexperte vom Bundesamt für Naturschutz. Auffällig ist, dass die meisten Diebe in Nordrhein-Westfalen zuschlagen: "Dass es sich so häuft in einer Region, das ist sicher kein Zufall", sagt Volker Homes, der Geschäftsführer des Verbands der Zoologischen Gärten (VdZ/Berlin). In NRW drängen sich ein Dutzend größere Zoos, es gibt zudem viele kleinere Tierparks - die Auswahl ist also da. Die Grenznähe kommt den Dieben entgegen, es gibt viele Autobahnen für die schnelle Flucht.
Welche Tiere sind besonders gefährdet?
Den Dieben geht es weniger um die größeren Tiere als vielmehr um die kleineren, meist zutraulicheren und handlicheren Arten wie Eulen und Äffchen, Nagetiere und Papageien. Bei der jüngsten Serie hatten es die Schmuggler vor allem auf die vom Aussterben bedrohten Goldenen Löwenäffchen abgesehen. In Krefeld wurden drei der nur etwa 500 Gramm schweren Tiere aus dem brasilianischen Regenwald gestohlen. Im vergangenen Februar verschwanden zudem etliche Totenkopfäffchen aus dem Gehege des Affen- und Vogelparks Eckenhagen (Reichshof), in Dortmund nahmen Diebe im August gezielt drei Zwergseidenäffchen und zwei Zwergagutis - kleine Nagetiere - mit.
Kann man denn die Äffchen nicht kaufen?
Nein, legal sind sie nicht zu bekommen. "Die Beute der Diebe wird meistens nicht auf nicht dem freien Markt angeboten", sagt VdZ-Geschäftsführer Homes. Und auch Norbert Zajac, der Duisburger Betreiber des nach eigenen Angaben größten Zoofachgeschäfts der Welt, schüttelt den Kopf: "In Deutschland ist das Halten eines Affen viel zu kompliziert, da brauchen sie Papiere und ein spezielles Gehege, sie müssen ein Zoo-Praktikum absolvieren und eine Prüfung ablegen."
Wie wertvoll ist die Beute?
Ein erfolgreicher Einbruch kann sich lohnen: Werner Schmidt, der Reichshofener Tierpark-Betreiber, schätzt den Preis für eines seiner gestohlenen Totenkopfäffchen auf bis zu 3000 Euro, auf dem Schwarzmarkt dürfte es noch deutlich mehr wert sein. Die in Krefeld geklauten Aras kosten jeweils rund 10.000 Euro.
Wohin führt die Spur der jüngsten Diebstähle?
Eine wirklich heiße Spur gibt es nicht. "Wir haben es mit professionellen Banden zu tun", sagt die Sprecherin des Krefelder Zoos, Petra Schwinn. Auch VdZ-Geschäftsführer Homes ist überzeugt, dass die Raubzüge in Auftrag gegeben werden: "Die Tiere werden gestohlen wie ein Picasso, den man in seinen Safe schließt oder zu Hause an die Wand hängt." Für den Artenschutzexperten Böhmer führt die Spur vorrangig nach Osteuropa: "Es gibt einen Bedarf. Und der ist vor allem dort angesiedelt."
Geht es vor allem um den finanziellen Verlust?
Nein, denn neben dem herben finanziellen und emotionalen Verlust für einen Zoo ist ein Diebstahl stets auch ein Schlag für den Artenschutz. "Solche Einbrüche schmerzen vor allem genetisch, denn die Tiere können nicht mehr für die Zucht und auch nicht für die Wiederauswilderung genutzt werden", sagt VdZ-Geschäftsführer Homes.
Wie können sich die Zoos schützen?
Eigentlich so gut wie gar nicht. Denn Wachdienste kontrollieren stets nur einen Teil des Geländes, Alarmanlagen sind nicht effektiv - und viele Tiere können nachts nicht eingesperrt werden. Krefelds Zoo-Direktor Dreßen könnte sich angesichts der Serie vorstellen, dass die Zoos Detektive mit der Spurensuche beauftragen. (dpa)