Heiligabend 1943 feierten Paul und Hildegard Gendrzeiko eine Not-Hochzeit. Standesbeamte vertröstete sie zunächst wegen des Andrangs. Pastor erteilte im Wohnzimmer den kirchlichen Segen. Heute blickt das Paar auf 65 Ehejahre zurück
Hochzeit mit Hindernissen im Kriegswinter 1943: Die Trauung muss wegen des riesigen Andrangs im Standesamt um einen Tag auf Heiligabend verschoben werden. Den Segen der Kirche gibt´s am 1. Weihnachtstag am heimischen Küchentisch. Und statt in die Flitterwochen geht es für ihn an die Front. Trotzdem: Paul und Hildegard Gendrzeiko haben diese und in den folgenden 65 Jahren alle anderen Hürden genommen. Das Paar feiert heute Eiserne Hochzeit.
Im Kindesalter lernten sich die Bismarcker kennen - besuchten sie doch beide die selbe Volksschule in Bismarck. Gefunkt hat´s aber erst über Bande, sprich: sie fanden über gemeinsame Bekannte zueinander. "Er war so ein Großer, hatte schöne Locken und war stattlich", sagt Hildgard Gendrzeiko (86). Und fügt hinzu: "Und er ist es heute noch."
Schon die Verlobung am Pfingstwochenende 1943 stellte das junge Paar vor eine harte Bewährungsprobe. Er war als Bordmechaniker an der Blindflugschule der Wehrmacht in Detmold stationiert - und bekam von einem Tag auf den anderen Urlaubssperre. "Wir hatten in Bismarck für die Feier schon gekocht, gebacken und alles vorbereitet", erinnert sie sich. Und so blieb ihr nichts anderes übrig, als mit den Zug nach Ostwestfalen zu fahren. "Die Verlobungsfeier fand in der Kantine statt. Mit meinen Kameraden", erzählt Paul Gendrzeiko. Pfingstrosen hatte er organisiert: "Das war nicht so einfach." Und auch die silbernen Verlobungsringe waren etwas ganz Besonderes: "Einige haben damals aus Not die Metallringe von Konservendosen nehmen müssen."
Weihnachten 1943 klappte es mit dem Urlaub, aber nicht mit den Behörden. "Der Andrang auf dem Standesamt im Hans-Sachs-Haus war zu groß. Man hat uns empfohlen: Kommen Sie morgen wieder" sagt er. Sein Vater habe wegen ihres Alters (21) gefrozzelt: "Trauungen für Kinder finden erst morgen statt." Und die "Kinder" kamen wieder: Am Heiligen Abend gaben sie sich im Hans-Sachs-Haus das Ja-Wort. An das vor ihnen getraute Paar - zwei Kleinwüchsige - können sie sich ebenso erinnern wie ans Hochzeitessen: "Meine Mutter hat ein Kaninchen geschlachtet", sagt Hildegard Gendrzeiko. Gefeiert wurde im engen Kreis, wobei der Begriff "eng" angesichts der neun Geschwister des Bräutigams weiter gefasst werden muss. Am 1. Weihnachtstag fand die kirchliche "Not"-Trauung statt - in der Wohnung von Paul Gendrzeikos Eltern an der Bismarckstraße, in Höhe Zeche Consol. Den kirchlichen Segen erteilte Pastor Schmidt im Wohnzimmer. Altar-Ersatz war der Küchentisch, der zur Feier des Tages in die gute Stube hinübergetragen und geschmückt wurde. Neujahr machte sich der Bräutigam dann wieder auf den Weg nach Detmold.
Zum Kriegsende 1945 hatte Paul Gendrzeiko Glück im Unglück. Zwar geriet der Soldat in russische Gefangenschaft, konnte sich aber absetzen und trat von Görlitz aus den Heimweg an - größtenteils zu Fuß. "Ich war vier Wochen unterwegs und habe häufig in Scheunen geschlafen."
Im Vergleich zu den ersten eineinhalb Jahren verlief das Leben für das Ehepaar anschließend wie ein langer, ruhiger Fluss. Paul Gendrzeiko wurde Zugführer bei der Bundesbahn und wechselte später in die Essener Direktion. Innerhalb von 14 Monaten stellte sich zweimal Nachwuchs ein. Und über die Stationen Bochumer Straße und Schultestraße landeten sie 1978 in einer Neubauwohnung an der Husemannstraße in der Altstadt, in der sie bis heute leben.
Während die Goldene und die Diamantene Hochzeit größer gefeiert wurden (im Hotel Verkehrshof und in Ostrops Hof), ist das Eiserne Paar heute bei Sohn Manfred in Westerholt zu Gast. Und nach den Weihnachtstagen geht´s zum Essen ins Restaurant Schloß Berge. Vielleicht ist ja Kaninchen auf der Speisekarte.