Gelsenkirchen. Jugendliche der Gesamtschule Berger Feld stellten bei einer Gedenkstunde ihre Friedensarbeit vor. Über 400 Schüler forschten nach Kriegsgräbern.
Als einzigartigen Lohn für ihre aufwändige Recherche betrachten zwei Schülerinnen und drei Schüler der Gesamtschule Berger Feld ihren Auftritt letzten Sonntag im Deutschen Bundestag. Bei der Gedenkstunde zum Volkstrauertag gaben sie mit ihren beeindruckenden Redebeiträgen einen Einblick in die Jahrzehnte lange friedenspädagogische Arbeit der Gesamtschule.
Zum ersten Mal war es Jugendlichen möglich, sich im Bundestag zu äußern. Den Kontakt angebahnt hatte die Kriegsgräberfürsorge, die auch die Arbeit der Schüler unterstützt.
Café-Einladung von Mesut Özil
Zweimal mussten die Schüler, die von fünf Mitschülern und zehn Lehrern begleitet wurden, ihr Auftreten im Bundestag proben. Auch der Initiator des Projekts, der langjährige Schulleiter Georg Altenkamp, hatte die Schüler begleitet. Doch vor der Gedenkstunde konnten sich die Schüler zunächst noch entspannen. Mezut Özil, der ebenfalls in Berlin weilte, hatte sie ins Café eingeladen. Der Nationalspieler war einst Schüler an der Gesamtschule Berger Feld.
Schon die unterschiedliche Herkunft der Oberstufenschüler machte den völkerverbindenden Ansatz der Friedenspolitik deutlich. Über 400 Schüler in der Sekundarstufe II waren seit Jahren in der schulischen Friedensarbeit in Projektkursen und Workshops engagiert. Im Bundestag stellten sich die fünf Schüler jeweils in der Muttersprache ihrer Eltern und Großeltern vor und begrüßten die Gäste. Wasilis Oubailis Familie lebt seit 1969 in Deutschland, der 18-Jährige ist in Gelsenkirchen geboren
Monatelange Recherchen in Archiven, Feldpostbriefen und Standesämtern
Er hat mit Mitschülern im Projektkurs Geschichte im belgischen Ypern nach den Toten in den Kriegsgräbern geforscht, Nachfahren ausfindig gemacht und die Angehörigen zu den Gräbern in Flanders fields begleitet. Rümeysa Akgün nahm an einem deutsch-türkischen Friedensprojekt teil und konnte ihre Recherchen über gefallene Soldaten beider Weltkriege im türkischen Tarabya in einer Gedenkrede vortragen.
Mit Mitschülern hat die 18-Jährige monatelang in Telefonbüchern, Feldpostbriefen, Archiven, Gemeinden, Kirchen und Standesämtern nach heutigen Angehörigen der getöteten Soldaten gesucht. Den Angehörigen wie auch den Jugendlichen der Partnerschule in Gelsenkirchens Patenstadt Büyükcekmece stellte sie auf dem Soldatenfriedhof die Ergebnisse ihrer Recherche vor.
„Die vielen Grabsteine der immer noch unbekannten getöteten Soldaten auf beiden Seiten des Krieges haben mich geschockt und gleichzeitig motiviert, mich für die Friedensarbeit einzusetzen“, sagt Philipp Podstawny. Der 18-Jährige mit polnischen Wurzeln ist in Deutschland geboren. Es sei ein unbeschreibliches Gefühl, ein Grab zu finden, die Angehörigen ausfindig zu machen und sie nach 70 oder 100 Jahren dorthin zu begleiten.
Bundespräsident Joachim Gauck dankt den Schülern
Im Irak hat Dennis Al Haddad seine Wurzeln. Seine Eltern sind während des Irakkrieges 1991 nach Deutschland geflüchtet: „Wir sind als Fremde hier aufgenommen worden und fühlen uns heute hier sicherer und gerechter behandelt als im Heimatland.“
Ergriffen war der 18-Jährige, als er eine Familie aus Bayern zum Grab eines getöteten Verwandten führen konnte. Er musste an seinen Cousin aus dem Irak denken, der im Bürgerkrieg auf grausame Weise getötet worden sei. Er hoffe, eines Tages auch am Grab seines Cousins trauern zu können.
Der Deutsch-Aserbaidschaner Ülkü Demir ist überzeugt: „Durch diese stark emotionalisierten Erfahrungen wird das Leid und die Tragik des Krieges noch deutlicher.“ Sehr beeindruckt von den Beiträgen zeigte sich Bundespräsident Joachim Gauck, der sich bei jedem Schüler persönlich bedankte.