Gelsenkirchen. Das Gelsenkirchener WAZ-Medizinforum widmete sich im Bergmannsheil Gelsenkirchen den kleinen Patienten und deren Leiden im Uro-Genitalbereich.
Der Hodenhochstand betrifft mehr Jungen, als viele denken. Um das zu verstehen, müsse man Folgendes wissen, so Dr. Gerrit Lautner, Ärztlicher Direktor der Kinder- und Jugendklinik: „Der Hoden entwickelt sich in der Schwangerschaft in der Höhe der Nieren.“ In der 32. Schwangerschaftswoche sacke er ab, im Idealfall an seinen Bestimmungsort. Rund ein Drittel der Frühgeborenen haben einen Hodenhochstand. Dann ist der Hoden quasi unterwegs angehalten. Wird dies erkannt, können Medikamente helfen. „Es muss aber auch häufig operiert werden“, so Privat-Dozent Dr. Stephan Miller, Chefarzt der Klinik für Urologie am Bergmannsheil. Zuvor aber müsse die genaue Lage der nur linsengroßen Hoden ermittelt werden. „Dann kann die Operation unkompliziert ablaufen.“ Die Hoden können platziert und fixiert werden.
Eine verengte Vorhaut ist ebenfalls weit verbreitet und kann nicht, das betonten die Mediziner, auf eigene Faust mit Dehnübungen behandelt werden. Das könne Narben erzeugen und später für noch mehr Beschwerden sorgen. „Die Vorhaut schützt die Eichel“, erklärte Miller, dass es ganz normal sei, dass die Vorhaut bei Säuglingen und Kleinkindern wie zugewachsen aussieht. Nur darf sie es nicht sein. Eine Beurteilungshilfe: „Alles ist normal, so lange das Kind mit Druck Wasserlassen kann.“ Liegt eine Vorhautenge vor, raten die Ärzte, es erst einmal mit einer speziellen Cortisoncreme zu versuchen, die das Gewebe weich macht. Eine Therapie, die in 77 Prozent der Fälle erfolgreich sei. Reicht das nicht, muss auch hier operiert werden. Da gebe es mehrere Möglichkeiten. Die totale Beschneidung sei selten notwendig.
Eine Hodendrehung sei zwar selten, so die Ärzte, aber gefährlich. „Das ist ein plötzlicher Schmerz, der vernichtend ist“, so der Urologe. Und Lautner erklärte: „Da hat sich der Hoden wirklich verdreht und wird nicht mehr mit Blut versorgt.“ Die Symptome seien, neben den Schmerzen, Verhärtungen des Hodens, Übelkeit, Erbrechen, fehlende Reflexe und ein hoch stehender Hoden. Da der Hoden nicht durchblutet wird, komme es auf jede Minute an. „Wir haben 30 Minuten, sonst ist der Hoden tot“, führte Miller eindrücklich vor Augen, wie schnell die Ärzte handeln müssen. Seine Klinik habe daher das Prinzip, einen betroffenen Jungen sofort, an allen Wartenden vorbei, von einem Pfleger in den OP bringen zu lassen. Dadurch konnten recht gute Behandlungserfolge erzielt werden. „Wir haben relativ viele Verdachtsfälle, etwa alle zwei Wochen einen. Den meisten können wir helfen.“
Nieren- und Harnleitersteine werden akut durch eine Nierenkolik erkennbar. Das betrifft Menschen jeden Alters. „Allerdings haben die Zahlen bei Kindern extrem zugenommen“, so Gerrit Lautner. „Das liegt an unserem Lebensstil. Die Kinder trinken zu wenig, leiden unter Bewegungsmangel und Übergewicht.“
Im ersten Schritt behandeln die Ärzte die Schmerzen der Kleinen. Die Therapie wird auch anhand von Bildern diskutiert, die Privat-Dozent Dr. Jörg Stattaus, Chefarzt der Klinik für Radiologie am Bergmannsheil, liefert. „Ein Urogramm zeigt uns das harnableitende System des Patienten“, so der Mediziner, der auch ein paar Beispielbilder bereithielt. Egal welche Therapie den Vorzug erhält, eine große Operation bedeutet dies nicht mehr.
Auch die Nierenbeckenentzündung war Thema. „Das ist eine häufige Erkrankung, nur im Kindesalter erkennt man sie schwer“, so Lautner. Denn: „Kinder werden im Ganzen krank. Die können das nicht lokalisieren.“ Die Ursache seien meist Darmbakterien. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen, da ihre Harnwege kürzer sind. Aufschluss gibt hier, wie bei Erwachsenen auch, eine Urinuntersuchung. Therapiert wird mit Antibiotika. Der Unterschied zu älteren Patienten sei jedoch, dass auch nach Abklingen der Beschwerden der Patient im Auge behalten werden müsse, um Spätfolgen an der Niere zu verhindern.
So unterschiedlich die vorgestellten Krankheiten am Mittwoch waren, eines gilt, so die Mediziner, immer: „Heute behandeln, damit später keine Beschwerden auftreten“. Der Hodenhochstand etwa müsse, nach neuen Erkenntnissen, bis zum ersten Lebensjahr behandelt sein, um eine gute Zeugungsfähigkeit zu erhalten und ein erhöhtes Krebsrisiko zu verhindern.