Die WAZ-Serie könnte zum Einstieg einer städtischen Zukunftsbestimmung für die einzelnen kulturellen und historischen Programmbereiche dienen

STANDORT KULTUR MASTERPLAN FÜR DIE STADTWas hat Gelsenkirchen als Kulturstadt vorzuweisen? Was wird bestehen, muss ausgebaut werden, wo liegen Defizite/Stärken, wohin müssen Gelder fließen? Braucht Gelsenkirchen ein kulturelles Marketing? Um diese Fragen, auch um die Nachhaltigkeit der kulturellen Initiativen für "Ruhr.2010" ging es in einer WAZ-Serie, die mit diesem bilanzierenden Überblick zu Ende geht. Dezernent Manfred Beck wirbt schon seit langem für einen "Masterplan Kultur" für die Stadt. Sein Vorgänger Peter Rose plädiert für einen Kulturbegriff, bei dem "Verändern und Gestalten" zu den Hauptmotiven gehören. Was muss vorrangig, aber zukunftsorientiert verändert oder gestaltet werden?

Am Musiktheater im Revier führt als Zentrum für Geist und Dialog, Musen und Sinnlichkeit, Historie und Gegenwart kein Weg vorbei. Den Etat für Generalintendant Michael Schulz zu festigen, sollte deshalb vorrangige Aufgabe vor der Sanierung sein: Das MiR ist die Chance, auf Augenhöhe mit den größeren Nachbarstädten zu sprechen. Aber: Wo bleiben Kammermusik, Liederabende, Philosophen-Vorträge, Symposien, Kongresse? Das Haus müsste auch diese Genres besetzen. Bei der Arbeit für Kinder und Jugendliche bietet es Modellhaftes. Das sollte auch für internationale Schichten gelten.

Der Verlust, der mit dem Auszug des heimischen Orchesters nach Recklinghausen und der Gründung der Neuen Philharmonie Westfalen verbunden ist, ist längst nicht wettgemacht. Zusammen mit der Musikschule, mit Musikverein und anderen Chören sowie den Vertretern der Kirchenmusik und freier Orchester müssten neue Netzwerke aufgebaut und intensiviert werden - in Richtung der jungen Generation.

Aufbau einer außerhalb wahrgenommenen Kunstschule (im Halfmannshof?), die Projektförderung der "Opera School" von Chris Seidler, die Festigung des Consol Theaters (nebst Umfeld in Bismarck) und die breite Stärkung der freien Szene, die fast von allen Seiten bei den Standort-Gesprächen eingefordert wird, sind weitere Perspektivpunkte für die Politik, die der Kultur insgesamt mehr Außenwirkung mitgeben sollte - auch dies betonten viele Diskussionspartner.

Das Städtische (Kunst-)Museum braucht verlässliche Strukturen - beim Personal, beim Konzept, bei der (erhofften) Erweiterung. Wie kann endlich die einmalige Kinetik-Sammlung einen adäquaten Schauplatz erhalten? Der Kunstverein wäre sicherlich für viele Schritte ein konkreter Begleiter. Kann die Stadt noch einen exzellenten, überregional beachteten Ausstellungsort außerhalb der "flora" (Geschichtsthemen) verkraften?

Bibliothek, VHS, Institut für Stadtgeschichte - ihnen geht es personell und finanziell nicht bestens, aber die Einrichtungen stellen sich auf neue Herausforderungen ein. Schloß Horst könnte ein zweites Kulturzentrum werden: mit historischem Museum, Bücherei-Komplex, Begegnungszentrum, mit Profilierung von Musikaktivitäten (Barock mit caterva musica).

Die freie Szene wird überleben - Gelsenkirchen bietet ein scheinbar unerschöpfliches Reservoir. Nicht nur auf Fördergelder zu schielen, sondern selbstbewusst eigene Dinge auf die Beine zu stellen, heißt das Gebot. Ein Haus der Kultur(en), die Belebung der von Werner Ruhnau einst geplanten Kulturmeile zwischen MiR und HSH - das wären neben dem Halfmannshof (Alleinstellungsmerkmal) Ausbaumöglichkeiten. Emschertainment braucht keinen neuen zusätzlichen Schub: Kleinkunst läuft prima. Für das gesamte Panorama gilt: "Marketing muss dringend optimiert werden." (Günter Pruin) HJL