Gelsenkirchen. Bei der ersten Jahreskonferenz des Quartiersnetzwerks geht es um erste Projekt-Ergebnisse . Das Ziel: Eine für alle Generationen lebenswerte Stadt.

Vier Jahre Zeit (und Fördermittel) haben die Akteure, um ein enges Quartiersnetz für Gelsenkirchen zu knüpfen. Eines, in dem sich – im Zeichen des demografischen Wandels – vor allem ältere Menschen für ihr Viertel, für die gemeinsame Sache, aber auch für andere einsetzen. Eines, das im Idealfall auch nach Projektende trägt. Wissenschaftler und Praktiker hat das Netz schon verbunden, und viele Menschen, die sich in den ausgewählten Vierteln Bulmke-Hüllen, in Schaffrath/Rosenhügel, in Buer-Ost und Schalke engagieren.

Eine Art Schneeballeffekt

„Wir wünschen uns, dass es ein Selbstläufer wird und das Projekt nicht stagniert. Deshalb legen wir von Anfang an viel Wert darauf, die Menschen mitzunehmen und zu qualifizieren, damit sie in einer Art Schneeballeffekt später andere Menschen fit machen. Aber es ist sicher utopisch, dass nach vier Jahren alles wunderbar allein läuft“, sagt Lisa Heite, die stellvertretende Geschäftsführerin des Vereins Generationennetz Gelsenkirchen.

Und so werden „Profis“ wie Heite oder auch Julius Leberl, der Senioren- und Behindertenbeauftragte der Stadt auch in Zukunft gefordert sein, wenn es um administrative Unterstützung geht, auch wenn zwischen Akteuren und Verwaltung vermittelt werden muss. Hier klaffen noch Lücken, die es zu schließen gilt – eine der Erkenntnisse der Experten nach knapp einem Jahr Projektzeit, die Mittwoch bei der ersten Jahreskonferenz Quartiersnetz im Hans-Sachs-Haus angesprochen wird. Heite, Leberl, Sozialwissenschaftler Prof. Harald Rüßler von der FH Dortmund und seine Kollegin Dr. Sabine Sachweh, Professorin für Angewandte Softwaretechnik, stehen mit Dr. Wilfried Reckert, dem ehemaligen Seniorenbeauftragten der Stadt Rede und Antwort. Erwartet werden bis zu 200 Männer und Frauen, die sich in ihren Quarttieren engagieren, die Informationen zu den Teilprojekten – von Mobilität über mediale Beteiligungsmodelle wie lokale Diskussionschats bis zu konkreten Erfolgen vor Ort – haben möchten.

„Jeder kann mitmachen“ – das ist die Botschaft, die auch noch einmal von diesem Tag ausgehen soll. „Wir wollen direkte demokratische Prozesse in den Quartieren stärken“, sagt Reckert und betont: „Vieles von dem, was sich jetzt entwickelt, ist ein Mitnahmeeffekt von dem, was ohnehin passiert. Die Idee, alle Interessen zusammen zu tun, um wirklich nach vorne zu kommen, finde ich schön und beglückend.“ Und auch Sachweh stellt fest: „Nicht unsere Projekte schaffen Realität, sie unterstützen zum Teil real laufende Prozesse. Unsere Ko-Produzenten sind dabei die Menschen, die wir zur aktiven Gestaltung ihrer Lebensumwelt aufrufen wollen.“

Die regelmäßigen Quartiers-Konferenzen sind ein Mittel, aber klar ist den Beteiligten auch, dass es jeweils einen Treffpunkt geben muss, wie er zunächst in Schaffrath entstehen soll. „Quartiersentwicklung“, glaubt Sachtweh, „ geht nicht ohne solch einen Ort“.

Schriftliche Befragung der Fachhochschule Dortmund

Begleitend zum Quartiersnetz-Projekt gab eine schriftliche Befragung der Fachhochschule Dortmund. Nach einer Zufallsstichprobe wurden 4000 Personen ab 50 Jahren in Buer-Ost, Bulmke-Hüllen, Schaffrath/Rosenhügel und Schalke angeschrieben. Die Fragebögen wurden Mitte Juni 2015 verschickt, 1186 Personen haben an der Befragung teilgenommen. Die ersten Ergebnisse:

– Durchschnittlich 54 Jahre wohnen die Befragten in Gelsenkirchen, im Stadtteil 34 Jahre.
– 54 Prozent sind Mitglied in einem Verein oder einer Partei, jeder Vierte ist ehrenamtlich aktiv.
– 59 Prozent wollen in ihrem Stadtteil mitentscheiden, aber nur jeder Dritte glaubt, auch mitentscheiden zu können. 35 Prozent kennen das Projekt Quartiernetz.
– 22 Prozent nutzen Internet-Plattformen, ein Drittel wünscht sich eine Plattform für den Stadtteil.
– 43 Prozent fühlen sich mit technischen Neuerungen eher überfordert, 14 Prozent benötigen regelmäßig Unterstützung bei der Nutzung technischer Geräte.
– fehlende Sauberkeit im Quartier bemängelt jeder Dritte, bei der Wohnqualität sind es 28 Prozent.