Gelsenkirchen. Das Schuhhaus Bruns schließt nach 142 Jahren am Neumarkt. Die Tochter macht als Orthopädieschuhmachermeisterin weiter.

Die Räumungsverkauf-Werbung wirkte wie ein Magnet und füllte in den ersten Tagen Gelsenkirchens ältestes Schuhhaus. Einen Teil des kräftigen Kunden-Zustroms hätten sich Wilfried Neuhaus, Karola Neuhaus-Bruns und ihre Tochter Ilga Neuhaus sicher auch an normalen Handelstagen gewünscht. Nach wenigen Tagen sehen die Regale im Geschäft am Neumarkt schon ziemlich geräumt und geräubert aus. „Sobald es über die Preise geht, passen eben selbst die Schuhe, die sonst nicht passen“, sagt Karola Neuhaus-Bruns und lacht – eine Erkenntnis, gewonnen aus Jahrzehnten Erfahrung.

Ihr Mann ist seit fast 40 Jahren im Geschäft, sie seit rund 30. Nun ist Schluss. Den verkaufsoffenen Sonntag am 8. November werden die Geschäftsleute noch mitmachen. „Und wenn wir bis dahin keine Schuhe mehr haben, gibt es eben Kaffee und Kuchen“, sagt die Seniorchefin. Und: „Wir stehen nicht vor dem Aus, wir beenden das Geschäft.“ Nach 142 Jahren.

Mehr Zeit für die acht Enkelkinder, für Freizeit, für Bergtouren

„Es ist ganz einfach so: Ich habe meine Rente durch, mein Mann auch.“ Da bleibe nun mehr Zeit für die acht Enkelkinder, für Freizeit, für Bergtouren. „Und der Laden ist einfach zu groß, um ihn nur mit Orthopädie zu betreiben.“ Zudem ist er gemietet, mit Verkaufsfläche über zwei Etagen. „Unten ist er klein, oben groß, allein schon aufgrund der Größenverhältnisse ist das schwierig“, sagt Karola Neuhaus-Bruns. Die allgemeine Lage hat sich aus ihrer Sicht zudem nicht gerade für den Gelsenkirchener Handel verbessert. „Wenn man nur lange genug sagt, in Gelsenkirchen gibt es ja nix in der Innenstadt und einen Ort tot redet, dann ist er irgendwann auch tot“, stellt die Geschäftsfrau fest und weiß natürlich auch um die Internet-Konkurrenz gerade in der Modebranche. „Aber dann muss man sich nicht wundern, wenn man irgendwann auch bei Amazon oder Zalando auf die Toilette gehen muss...“

Die fünf Verkaufskräfte „sind alle versorgt oder haben eine neue Stelle“, betont die Chefin. Der Schnitt bleibt also ohne belastende Folgen. Vor dem Geschäft breitet sich gerade die jüngste Innenstadtbaustelle aus. „Eigentlich“, findet die Händlerin, „ist der Neumarkt aber immer Abstellfläche für irgendwas“. Dem Geschäft war das oft nicht gerade förderlich – und irgendwie passt es zu den Abschiedstagen, die auch ein Neuanfang sind. Zumindest für Tochter Ilga.

Am 14. April 1873 hat Johann Gerhard Bruns die Handelsgeschichte begründet, mit einer Maß- und Reparaturwerkstatt an der Bochumer Straße 61. 1951 wurde die Filiale am Neumarkt eröffnet, schließlich wurde sie der Hauptsitz des Unternehmens. Tochter Ilga, Jahrgang 1972, wurde wie die beiden Groß- und Urgroßväter Meisterin, beschränkte sich aber nicht allein auf die Schuhmacherei, sondern wurde auch Orthopädiemeisterin. An anderer Stelle wird sie nun ihr Handwerk und auch ein Stück Bruns’scher Tradition fortführen.