Gelsenkirchen. 24 demente Mieter wohnen in drei WGs in Gelsenkirchen. Marina Schack ist für sie als Hausmutter Managerin, Ratgeberin und Trösterin unverzichtbar.

Lieselotte Pickert blickt neugierig in die Küche. „Was habt ihr denn heute für eine Überraschung?“, fragt die 86-Jährige die beiden Hauswirtschafterinnen, die beim Dienstwechsel den Speisefahrplan besprechen. Sie backen einen Apfelkuchen, den sieben Frauen und ein Mann beim Nachmittagskaffee serviert bekommen. Die Acht sind Mitglieder einer der drei Demenz-Wohngemeinschaften der APD in Schaffrath. Mit dem Modell will der Hausherr, die Ambulante Pflegedienste GmbH, Selbstbestimmung und Gemeinsamkeit der Bewohner unterstützen.

Die gut eingerichtete Küche und das angrenzende Wohnzimmer sind die Erlebniswelt für die Gruppe. Die Mitglieder praktizieren täglich, wie privates Wohnen in einem gemeinschaftlichen Haushalt funktionieren kann. In gemeinsamer Runde wird besprochen, was auf den Tisch kommt. Vermutlich protestierten die anderen Bewohner, wenn Königsberger Klopse und Bohnensalat, das Lieblingsgericht der 86-Jährigen, täglich aufgetischt würden.

Plausch mit den anderen im Wohnzimmer

Es ist reichlich Platz in dem Licht durchfluteten Wohnzimmer mit seinen gemütlichen Sitzecken, dekoriert mit allerlei Figuren und bunten Blumen. Entspannen können sich die Mieter im Sitzbereich vor dem Fernseher oder auf der angrenzenden Dachterrasse. Hier und in der Küche spielt sich das gemeinsame Leben für die Gemeinschaft ab. Jetzt hat auch Hilda Fierke ihren Mittagsschlaf in ihrem Zimmer beendet. Die 92-Jährige leistet der jüngeren Mitbewohnerin Gesellschaft. Auch wenn sich jeder in sein Einzelzimmer zurückziehen kann, bevorzugen alle den Plausch mit den anderen im Wohnzimmer. Und wenn Interessantes im Fernsehen läuft, das alle interessiert, bleibt das TV-Gerät im eigenen Zimmer oft ausgeschaltet. Man will lieber gemeinsam fernsehen.

Doch nicht immer funktioniert die Gruppe problemlos, die bei aller Selbstständigkeit eine intensive Betreuung und Fürsorge braucht. Kümmerer, Trösterin, Ratgeber und Zuhörer zugleich ist Marina Schack, die als Hausmutter drei achtköpfige Wohngemeinschaften auf verschiedenen Etagen betreut. Die 30-Jährige geht beim Dienstantritt zunächst in die Wohngruppen, begrüßt jeden per Handschlag, fragt nach dem Befinden. Sie sucht die Nähe zu den Bewohnern, die ihr Herz ausschütten und auch mal Dampf ablassen. Eine vorgegebene Tagesstruktur gibt es nicht in der Gemeinschaft. „Den Ablauf“, weiß Marina Schack, „kann man bei dementen Personen nie vorherbestimmen. Wir müssen flexibel sein und auch mal aushandeln, wie der Tag verlaufen könnte. Stimmungen und Tagesform spielen bei ihnen eine Rolle.“ Die 30-Jährige ist Managerin, erstellt Dienstpläne, stimmt Termine mit Ärzten wie auch mit dem Friseur ab, bildet Netzwerke nach draußen, ist liebevolle Bezugsperson. Zwar gehört auch die Förderung der Mobilität zum Konzept des Zusammenlebens, doch wird niemand zwanghaft in die Gruppe integriert. „Auf die unterschiedliche körperliche Verfassung und die Schwere der Demenz“, so Marina Schack, „müssen wir ohnehin Rücksicht nehmen.“ So werden auch Langschläfer nicht aus dem Bett geholt, nur weil die anderen WG-Mitbewohner schon am Frühstückstisch sitzen.

Betreuungsteam sucht den Kontakt zu Bürgern im Stadtteil

Bewusst sucht das Betreuungsteam den Kontakt zu Bürgern im Stadtteil. Einmal monatlich begleitet ein Orgelspieler den Gottesdienst im Haus, den auch Bewohner aus der Nachbarschaft besuchen. Angehörige von ehemaligen Bewohnern pflegen heute noch Kontakte, gestalten Kino-Abende, helfen bei der Freizeitgestaltung.

Für alle Bewohner ist es die letzte Etappe auf ihrem Lebensweg. Marina Schack ist sicher, dass ihre Schützlinge die Geborgenheit, die Lebensqualität und den Zuspruch schätzen, um dann in Würde und im Kreise der Gemeinschaft Abschied nehmen zu können.