Gelsenkirchen. In der Buchhandlung Junius lasen Autoren aus ihrem gemeinsamen Ruhrgebietsbuch „Kohlenkönige und Emscherkinder“.

Es war einmal, da richtete sich der Verlag Henselowsky & Boschmann mit der Bitte an Ruhrgebietsautoren, Geschichten über das Revier in Balladenform zu schreiben. Und so trug es sich zu, dass Mitte August die Sammlung „Kohlenkönige und Emscherkinder – Das große Buch der Ruhrgebietsballaden“ erschien. Mitgewirkt haben 22 Autoren, darunter der verdiente Sigi Domke und Werner Streletz, anerkannter Pott-Profi und früherer Kulturredakteur der WAZ in Bochum.

Gut gefüllt war die Buchhandlung Junius am Dienstagabend, wären noch mehr Gäste gekommen, hätten sie in der Reisebuchabteilung Platz nehmen müssen und nichts gesehen von den Vortragenden. Domke war dabei und las sein „Familienidüll“, die morgendliche Szene einer durchschnittlichen vierköpfigen Familie – Vater muss zur Schicht, Mutter zu Lidl.

Könnte sich genau so auch in Elmshorn zutragen. Streletz bediente „Die Geschichte vom gut aussehenden Mann“ – eine kraftvolle Bündelung seiner eigenwilligen Prosakraft. Zuvor hatte Zepp Oberpichler („Ich heiße wirklich so!“) sich selbst auf der Gitarre begleitend sein Lied vom Schwermetallkind gesungen.

Ein BVB-Schal in Gelsenkirchen

Moderiert wurde der Leseabend von Michael Hüter, der auch die pointierten Zeichnungen zum Buch gefertigt hat, und von Ullrich Spiegelberg, der durch seine unzähligen „Watt“ und „Ey“ wenig zur Entkräftung gängiger Revierklischees beitrug, aber für einige launige Lacher sorgte.

Der Wittener Georg Denzel ließ es sich nicht nehmen, mitten in Gelsenkirchen mit einem BVB-Schal aufzutreten. Zu befürchten hatte er allerdings wenig: Wer liest, schlägt nicht. Er las stehend seine Villonsche Fußballgeschichte „Du bist so wild mit deinem Stoppelkinn“ und verzichtete dabei auch nicht auf den berühmt gewordenen Kinski-Duktus.

Der Schauspieler hatte Anfang der 1970er Jahre mit seiner Interpretation von Gedichten der französischen Autoren Francois Villon und Arthur Rimbaud für Furore gesorgt, die bis heute zum Kult gereicht. Der herausstechend junge Philip Stratmann trug hernach seine „Ballade vom allerletzten Pfand an der Ruhr“ vor. Eine sehr sympathische kleine Geschichte um die Mühen der Tätigkeit im Lokaljournalismus. Immerhin bringt es sein „Held“ von der Hasenbrunst zum SPD-Ortsverein.

Eine sehr persönliche Geschichte

Einige Drolligkeiten um ehrliche Häute, Currywürste, Halden und andere vermeintlich Revier-typische Erscheinungen sorgten für Schmunzeln und eine gelassene Atmosphäre. Beachtlich war Monika Littaus „Ballade von Gertrud P. und ihrer Tochter Franziska“, einer sehr persönlichen Geschichte um ein geistig zurück gebliebenes Kind, das während der Nazi-Zeit drangsaliert wird und nur mit Glück überlebt. Da war Ruhe im Schacht.