Gelsenkirchen. . Rund 200 WAZ-Leser folgten am Mittwoch beim WAZ-Medizinforum mit dem Marienhospital Ückendorf gebannt den kurzweiligen Vorträgen der Herzexperten.

Um das Herz ging es am Mittwoch beim WAZ-Medizinforum im Wissenschaftspark mit dem Team der Klinik für Kardiologie des Marienhospitals. An die 200 interessierte Leser waren gekommen, um mehr zu erfahren über Innovationen auf diesem Gebiet. Diese seien mit dafür verantwortlich, dass die Menschen heute älter werden, erklärte Prof. Dr. Heiner Blanke, Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Interne Intensivmedizin. So werde Herzinfarkten besser vorgebeugt. Treten sie dennoch ein, würden sie besser behandelt. „Wir sehen eine rasante Entwicklung in Diagnostik und Therapie. Wir erleben eine Revolution bei den bildgebenden Verfahren.“

Jene Entwicklung stellten Oberärztin Susanne Beermann und Oberarzt Dr. Mani Farazandeh vor. Provokant fragten sie „Brauchen wir noch den Herzkatheter?“. Die Antwort lautet ja. Aber nicht immer zur Erstdiagnostik bei Verdacht auf Durchblutungsstörungen des Herzens. Studien zeigten, dass nur bei 38 Prozent der Herzkatheter ein Befund entdeckt wurde. Daher stehen am Anfang nun andere Diagnoseverfahren, etwa das CT. Die neuen Geräte erlauben gute Einblicke. „Ersetzen kann das CT den Katheter nicht, weil es keine Therapie durchführen kann. Aber bei Patienten, bei denen man vermutet, dass sie nichts haben, hat sich die Untersuchung bewährt“, so Farazandeh.

Neue Herzklappe ohne Operation über einen Katheder implantieren

Die Herzfunktion kann mit dem MRT untersucht werden. „Ähnlich einer Biopsie kann der Arzt sehen, welche Erkrankung vorliegt“, so Beermann. „Durch so erkennbares Narbengewebe können wir das Risiko für Rhythmusstörungen einschätzen.“ Ein drittes bildgebendes Verfahren ist alt und neu zugleich: Ultraschall. Die Geräte liefern heute Bilder in 3D und von beeindruckender Genauigkeit und Farbigkeit, zeigten die Mediziner. Geschallt wird über eine Sonde, die in die Speiseröhre eingeführt wird. „Diese Methode hat es sehr vereinfacht, Herzklappen zu beurteilen“, erklärte Beermann.

Bioreserbierbare Stents lösen sich binnen zwei Jahren selbst auf

Neuerungen gibt es aber auch beim Herzkatheter. Die Oberärzte Dr. Stephan Busse und Dr. Adam Schweda erläuterten, wie beim akuten Herzinfarkt via Katheter klassisch das Gerinnsel abgesaugt, sich ein Stent gegen die Innenwand presst, per Ballon das Gefäß geweitet wird . Der Stent hält das Gefäß fortan offen.

Neu sind bioresorbierbare Stents, beschloss Schweda den Vortrag. „Diese Stents bestehen aus Milchsäure und lösen sich binnen zwei Jahren auf. Der Vorteil liegt darin, dass sich das Gefäß ganz natürlich verhalten kann.“ Allerdings sind Bio-Stents noch deutlichl dicker und teurer als Metallstents, kommen daher nicht als Standard zum Einsatz. Bisher jedenfalls.

Neue Herzklappe für Risikopatienten bei schlagendem Herzen

Hilfreich sind Herzkatheter jedoch noch bei einer anderen Innovation: beim Einsetzen von Herzklappen. Ein Thema, in das Oberarzt Michael Kemmerling einführte. Die fehlerhafte Funktion einer Herzklappe sei die dritthäufigste Herzerkrankung. Sie betrifft vor allem Ältere und kann zu Luftnot, Herzschwäche oder Schwindel führen. Normalerweise muss für den Einsatz einer Herzklappe der Brustraum geöffnet werden, der Patient kommt an die Herz-Lungenmaschine. Was für alte und Risikopatienten extrem gefährlich ist. Dank neuer Technik kann in diesen Fällen die neue Herzklappe per Katheter implantiert werden. Mit einem Film dokumentierte Kemmerling das fast Unglaubliche. „Das ist eine wichtige Innovation für Patienten, die zuvor nicht behandelt werden konnten.“

Eine Alternative zur dauerhaften Therapie mit Gerinnungshemmern

Beeindruckend ist auch die Neuerung, die Oberarzt Dr. Ralf Doliva vorstellte. Hierbei geht es um die Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern. Der Mediziner räumte ein, dass nicht jeder Schlaganfall durch Vorhofflimmern bedingt ist. Aber diese hätten die schlimmsten Folgen. „Beim Vorhofflimmern kommt es zu einem elektrischen Chaos.“ Was zur Folge hat, dass der Blutfluss nicht geregelt läuft.

„Die Vorhofkontraktion fehlt und das Blut steht an den Vorhofrändern.“ Wenn Blut steht, gerinnt es, sammelt sich in einer Aussackung zu einem „Vorhofohr“, gerinnt – und wird zum Schlaganfall-Risiko. „Meist wandert das Gerinnsel vom Herzen direkt in den Kopf.“ Bislang wird dagegen vor allem mit blutverdünnenden Medikamenten vorgesorgt. Meist mit Marcumar, wobei die Gerinnungswerte ständig kontrolliert werden müssen, um spontane innere Blutungen zu vermeiden. Es gibt auch neue, besser verträgliche Medikamente, bei denen allerdings keine Kontrolle der Gerinnungsfähigkeit möglich ist.

Eine klare Empfehlung, was besser sei, wünschten sich viele Zuhörer. Diese sei jedoch nicht möglich, betonte Doliva. Das müsse individuell entschieden werden. Allerdings gibt es für Hochrisikopatienten eine neue Möglichkeit: „Wenn sich im Vorhofohr Gerinnsel bilden, ist es das Beste, man lässt da kein Blut rein, dichtet es ab“, erklärte Doliva. Per Katheter wird dazu ein „Stöpsel“ samt Verschlussdeckel eingesetzt. „In fast allen Fällen wirkt das.“ Komplikationen gebe es so gut wie nie, dennoch sei es noch kein Standardverfahren.