Fünf Jahre besteht der Arbeitskreis, der jährlich ein Thema öffentlich zur Diskussion stellt: Geschichte "von unten"

Sechs, sieben Gleichgesinnte trafen sich erstmals vor fünf Jahren, um eine hiesige "Kulturzelle" zu gründen. Schon nach kurzem wechselte der Name zu "Industriekinder". Er wurde zum Begriff. Einer der Gründer ist Ullrich Tyrichter, 53, der zusammen mit Julius Erbslöh, 61, heute eine schon bemerkenswerte Bilanz zieht: "Wir haben, bei aller selbstkritischen Haltung, einen passablen Weg gefunden, Kultur, Geschichte und Stadt auf einen Nenner zu bringen. Ohne verquaste Verwissenschaftlichung, sondern mit persönlichem Engagement und seriöser Arbeit." Das "kleine" Jubiläum wird demnächst gewürdigt mit einer neuen und typischen Ausstellung: "Metropole Gelsenkirchen - Funktioniert die Mitte?"

Darin wollen Tyrichter, Erblöh, Nicole Montpellier, Nina Ude und andere in der "flora" fotografisch, literarisch und historisch diskutieren über das, was demnächst rund um das neue Hans-Sachs-Haus entstehen kann und soll. Und auch zurück blicken. Eröffnungstermin ist der 31. August, 18.30 Uhr.

Warum "Industriekinder" für diese initiativfreudige Gruppe? Tyrichter: "Wir sind alle groß geworden mit der Industrie, die unsere Städte geprägt hat. Hier arbeiten wir, hier wohnen wir, hier leben wir, hier haben wir mit unseren Familien Wurzeln geschlagen." Das sei die gemeinsame Identität - ein "schönes Fundament". Aus dieser Situation heraus sei der Wunsch entstanden, mehr zu leisten als nur zuzuschauen, zu begleiten oder zu diskutieren. Erbslöh, technischer Redakteur: "Unser Ziel war es von Anfang an, eigene aktuelle Themen zu setzen, die aber immer auf dem Boden geschichtlicher Entwicklungen stehen." Das könne auch stadtübergreifend ausfallen.

So ging es bei ihren Objekt- und Fotopräsentationen beispielsweise um Kanaldeckel, um Stuckfassaden, um Backstein-Expressionismus oder um die Folgen der Montanindustrie. "Wir haben viel Herzblut einfließen lassen," sagt Tyrichter, der ehemalige Betriebselektriker und heutige Sozialtherapeut. Das Prinzip sei immer gewesen: Neben der fotografischen Spiegelung auch Fundobjekte und veritable Bau- und Erinnerungsstücke zu zeigen. Geschichte und Kultur "von unten" - als spannende Begegnung mit Menschen, Straßen, Plätzen, Wohnen, Freizeit und Architektur.

Der Vorteil ihres Arbeitskreises sei: "Wir sind unabhängig, nähern uns einem Thema von verschiedenen, meist persönlichen Seiten, fordern aber eine insgesamt objektive Sicht ein." An weiteren Themen seien die "Industriekinder", die den Rhythmus jährlicher Ausstellungen beibehalten wollen, bereits dran: Gärten, Parkanlagen, Alleestraßen, ehemalige Brachen - "Stoff für die nächsten zehn Jahre. Mindestens." HJL